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HBS Böckler Impuls

Arbeitgeberverbände: Tarifpflicht ausgehöhlt

Ausgabe 16/2016

Viele Arbeitgeberverbände bieten Mitgliedschaften ohne Tarif (OT) an, gerade im Dienstleistungssektor.

Tarifverträge abzuschließen, ist das klassische Geschäft von Arbeitgeberverbänden. Das sorgt für gleiche Wettbewerbsbedingungen und Ruhe im Betrieb. Doch eine Reihe von Verbänden bietet eine sogenannte OT-Mitgliedschaft an: Unternehmen können beitreten, ohne an den Verbandstarif gebunden zu sein. Martin Behrens vom WSI und Markus Helfen von der Freien Universität Berlin haben untersucht, wie verbreitet dieses Instrument ist und welche Motive dahinterstecken.

Die Wissenschaftler haben eine Befragung der Geschäftsführungen von 114 deutschen Arbeitgeberverbänden ausgewertet. Demnach bieten 48 Prozent eine OT-Mitgliedschaft an. Die überwiegende Mehrheit der Verbände hat diese Option im Zeitraum zwischen 1995 und 2005 eingeführt. Behrens und Helfen vermuten juristische Gründe: Erst Mitte der 1990er-Jahre hätten die Arbeitsgerichte der flächendeckenden Ausbreitung von OT-Mitgliedschaften den Weg geebnet. Seit 2005 ging die Zahl der neuen OT-Angebote spürbar zurück, was für eine gewisse „Sättigung“ der Nachfrage spreche.

Ob Verbände eine Mitgliedschaft ohne Tarifvertrag ermöglichen, hängt unter anderem mit der Größe der Mitgliedsunternehmen zusammen. Vereinigungen, die von mittelgroßen Firmen mit 100 bis 250 Beschäftigten dominiert werden, bieten zu 71 Prozent OT an. Im Osten sind es anteilig etwas mehr Verbände als im Westen, die jüngeren gehören eher dazu als die älteren Zusammenschlüsse. Auch die Branche spielt eine wichtige Rolle: In den Dienstleistungsbranchen, auf Arbeitnehmerseite von Verdi vertreten, sehen 73 Prozent OT-Mitgliedschaften vor. Im Organisationsbereich der IG BAU sind es dagegen nur 15 Prozent – was vor allem mit der großen Bedeutung von Allgemeinverbindlicherklärungen in der Bauwirtschaft zusammenhängen dürfte. Die Werte in den Industriebranchen, die IG Metall und IG BCE organisieren, liegen dazwischen. Nachgefragt wird das OT-Angebot am häufigsten von den Arbeitgebern im Dienstleistungsbereich, am seltensten im Bereich der IG BCE.

Unabhängig von Branche und Verbandsstruktur scheint sich die politische Agenda von Arbeitgeberverbänden auszuwirken: Die befragten Geschäftsführungen äußern sich deutlich kritischer zu Flächentarifen sowie zu Mindestlöhnen, Allgemeinverbindlichkeit und der Regulierung von Werkverträgen, wenn ihr Verband OT-Mitgliedschaften vorsieht. Die Schlussfolgerung der Forscher: Für die Entscheidung pro oder kon­tra OT sind auch die tarifpolitischen Ansichten von Verbandsfunktionären ausschlaggebend.

  • In den Dienstleistungsbranchen sehen fast drei Viertel der Arbeitgeberverbände OT-Mitgliedschaften vor. Zur Grafik

Martin Behrens, Markus Helfen: Sachzwang oder Programm? Tarifpolitische Orientierungen und OT-Mitgliedschaft bei deutschen Arbeitgeberverbänden, WSI-Mitteilungen 6/2016

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