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Strompreisbremse nutzt Klima und Wirtschaft Böckler Impuls

Energie: Strompreisbremse nutzt Klima und Wirtschaft

Ausgabe 15/2023

Eine modifizierte und bis 2030 verlängerte Strompreisbremse würde die Wirtschaft stärken und dem Klimaschutz dienen.

Eine Modifizierung und Verlängerung der Strompreisbremse bis maximal 2030 könnte dazu beitragen, die deutsche Wirtschaft vor schweren Schäden zu bewahren. Zudem könnte der notwendige Umstieg auf klimafreundliche Produktionsweisen abgesichert werden. Eine solche Maßnahme wäre eine Alternative zu dem vom Bundeswirtschaftsministerium vorgeschlagenen Brückenstrompreis, der nur für die energieintensive Industrie gelten soll. Die Verlängerung einer modifizierten Strompreisbremse wäre „ein zentraler Baustein einer übergreifenden Wirtschaftspolitik zur Stärkung der deutschen Wirtschaft“, schreibt der Wirtschaftsprofessor Tom Krebs von der Universität Mannheim in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie. 

Krebs hat ein Konzept entwickelt, dessen Kern eine auf unterschiedliche Zielgruppen zugeschnittene, zeitlich begrenzte und an Bedingungen gekoppelte verlängerte Strompreisbremse ist. Sie würde Anreize für Unternehmen setzen, in einer schwierigen Übergangsphase mit krisenbedingt übersteigerten Energiepreisen rasch die notwendigen Investitionen in strombasierte Produktionsanlagen zu tätigen. Gleichzeitig bietet sie den Privathaushalten eine wichtige „Rückversicherung“ gegen eine erneute Explosion der Strompreise, die aktuell zwar unwahrscheinlich, aber möglich ist. Drittens kann sie helfen, so der Ökonom, die zentrale medizinische und soziale Infrastruktur wie Krankenhäuser und Pflegeheime zu stärken. 

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Keine Dauersubvention

„Die Bundesregierung muss jetzt die wirtschaftspolitischen Weichen stellen, um eine langjährige Stagnationsphase zu vermeiden. Dazu müssen die wirtschaftlichen Folgen der Energiekrise abgefedert und die transformativen Investitionen gestärkt werden“, schreibt Krebs. Seinen Berechnungen zufolge beträgt der kurzfristige Produktionsverlust durch den Anstieg der Energiepreise bislang rund vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zudem sind die Reallöhne stärker gefallen als in jeder anderen Krise der deutschen Nachkriegsgeschichte. Darüber hinaus drohen langfristige wirtschaftliche Schäden, die sich bis Ende 2024 auf rund zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder 390 Milliarden Euro belaufen könnten.

Um gegenzusteuern, schlägt Krebs im Kontext der Diskussion um Brücken- oder Transformationsstrompreise ein passgenaues Konzept mit vier zentralen Elementen vor:

  • Verlängerung der Strompreisbremse, perspektivisch bis 2030 bei zwischenzeitlicher Evaluation.
  • Modifikation I: Garantierter Nettopreis – ohne Netzentgelte, Steuern, Abgaben und Umlagen – von 10 Cent pro Kilowattstunde (kWh) für Stromkunden mit einem Jahresverbrauch über 30 000 kWh, das sind meist kleine und mittlere Unternehmen, sowie ein garantierter Bruttostrompreis von 35 Cent pro kWh für Stromkunden mit einem Jahresverbrauch unter 30 000 kWh, hauptsächlich Privathaushalte und Kleingewerbe. 
  • Modifikation II: Garantierter Nettopreis von 6 Cent pro kWh für energieintensive Unternehmen, wenn diese eine Transformationsverpflichtung eingehen und eine Standort- und Beschäftigungsgarantie abgeben. Eine Sonderregelung im Energie-Einspeisegesetz umfasst aktuell rund 2000 energieintensive Unternehmen in Deutschland, die dafür in Frage kämen. Neben klassischen Grundstoffbranchen wie Baustoffe, Chemie, Glas, Nichteisen-Metalle, Papier und Stahl, die wichtige Vorprodukte für weitere Branchen erzeugen, nennt Krebs Wasserstoffelektrolyse, Batterieproduktion und Chipherstellung. Denn: Diese energieintensive Produktion sei „zentral für die erfolgreiche Dekarbonisierung der Wirtschaft“.
  • Modifikation III: Zusätzliche Reduktion des Nettostrompreises um 1 Cent pro kWh für Unternehmen mit Tarifbindung. Dieser Zusatzbonus, so Krebs, könne einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die starken Reallohnverluste, die Beschäftigte durch den Inflationsschub erlitten haben, längerfristig wieder auszugleichen. Er steht im Einklang mit dem Ansatz der EU-Kommission, die Tarifbindung zu stärken. Ähnliche Regelungen finden sich im Inflation Reduction Act der US-Regierung.

„Die Verlängerung einer modifizierten Strompreisbremse ist keine Dauersubvention“, betont der Ökonomieprofessor. Berechnungen auf Basis der sogenannten Stromgestehungskosten ergeben einen langfristigen Strompreis zwischen 5 und 8 Cent pro kWh. Damit könne die deutsche Wirtschaft arbeiten. Der aktuelle Börsenstrompreis übersteige aber krisenbedingt diesen langfristigen Wert deutlich, „und es wird voraussichtlich noch einige Zeit dauern, bis der Strompreis auf sein langfristiges Gleichgewichtsniveau gefallen ist“, schreibt Krebs. „Die hier vorgeschlagene Strompreisbremse soll Planungssicherheit für diese Übergangsphase schaffen.“ Insbesondere mit Blick auf die energieintensive Wirtschaft sei das Modell weitaus wirksamer als eine allgemeine Absenkung der Stromsteuer, die viele energieintensive Unternehmen nicht entlasten würde. 

Bei der konkreten Ausgestaltung hält es Krebs für sinnvoll, dass sich die modifizierte Strompreisbremse am aktuellen und nicht am vergangenen Stromverbrauch orientiert. Nur so entstünden Anreize für Unternehmen, in strombasierte und somit klimafreundliche Anlagen zu investieren. Für sinnvoll hält der Wissenschaftler außerdem den Vorschlag des Wirtschaftsministeriums, geförderten Unternehmen die Differenz zwischen durchschnittlichem Marktpreis und dem durch die Bremse garantierten Preis auszuzahlen. Denn nur so bleibe der Anreiz erhalten, Strom möglichst kostengünstig zu beziehen.

Die aktuelle Strompreisbremse gewährt Krankenhäusern und stationären Pflegeeinrichtungen dieselben Konditionen wie der Industrie. Darüber hinaus gibt es für sie besondere Hilfsfonds, um die flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Dazu hat der Bund bisher acht Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Diese Maßnahmen sollen in Krebs’ Konzept verlängert und der Hilfsfonds entsprechend aufgestockt werden.

Finanzierung gesichert

Den finanziellen Aufwand für eine modifizierte Strompreisbremse taxiert Krebs auf insgesamt 20 bis 60 Milliarden Euro für den Zeitraum bis 2030, je nachdem, wie hoch die Marktpreise für Strom sein werden. Finanziert werden sollte dies aus Mitteln des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), der bereits zur Finanzierung der aktuellen Gas- und Strompreisbremsen verwendet wird. Das sei bei aktuell rund 140 Milliarden Euro Volumen im WSF gut machbar, und es sei gerechtfertigt, weil es sich um eine zeitlich befristete Maßnahme zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Energiekrise handelt, sagt Krebs. Indem sie nicht nur private Haushalte und Unternehmen entlaste, sondern auch die Wirtschaft stabilisiere und Arbeitsplätze schütze, „erfüllt die Verlängerung einer modifizierten Strompreisbremse genau den ursprünglichen Zweck des WSF“. Das sei wichtig, wenn es zu einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht komme, und auch mit Blick auf EU-Beihilferegeln.

Tom Krebs: Ökonomische Analyse einer Verlängerung und Modifizierung der ­Strompreisbremse, Working Paper der HBS-Forschungsförderung Nr. 305, September 2023

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