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HBS Böckler Impuls

Finanzpolitik: Steuern niedriger als gedacht

Ausgabe 09/2017

Greift der Spitzensteuersatz bereits bei Normalverdienern, wie gelegentlich behauptet wird? Ein Blick auf die Fakten zeigt: Die Belastung durchschnittlicher Einkommen liegt weit darunter.

Schon ein alleinstehender Normalverdiener würde vom Finanzamt wie ein Spitzenverdiener abkassiert. So ist es manchmal zu lesen. Doch solche vermeintlich lebensnahen Beispiele zeichnen kein zutreffendes Bild von der steuerlichen Realität in Deutschland. Darauf weist IMK-Forscherin Katja Rietzler hin. Wenn über die angeblich zu hohe Belastung durch die Einkommenssteuer diskutiert wird, geraten nach ihrer Beobachtung häufig drei Dinge aus dem Blickfeld: Erstens die mittlere Einkommenshöhe, zweitens der Unterschied zwischen Bruttoeinkommen und zu versteuerndem Einkommen und drittens der Unterschied zwischen Durchschnittssteuersatz und Grenzsteuersatz. Um die Proportionen zurechtzurücken, hat Rietzler berechnet, wie hoch die tatsächliche Steuerbelastung typischer Arbeitnehmer aus der Mitte der Gesellschaft ist.

Der mittlere Bruttoverdienst Vollzeitbeschäftigter beträgt derzeit 41.742 Euro. Wegen der Freibeträge sind nur rund 34.000 Euro davon zu versteuern. Bei Unverheirateten ohne Kinder fallen 7.085 Euro Einkommenssteuer und Solidaritätszuschlag an, das entspricht 17 Prozent des Bruttoeinkommens oder knapp 21 Prozent des zu versteuernden Einkommens.

Ist der Arbeitnehmer verheiratet und hat zwei Kinder, kann von einer Steuerbelastung gar keine Rede mehr sein. In diesem Fall fließen gut 1.100 Euro pro Jahr vom Finanzamt an den Arbeitnehmer – nämlich in Form des Kindergeldes, das in der Summe höher ist als die fälligen Steuern. Der Durchschnittssteuersatz ist damit negativ.

Selbst wenn man statt der durchschnittlichen die Grenzsteuersätze betrachtet, also wieviel der Fiskus nach einer Gehaltserhöhung von einem zusätzlich zu versteuernden Euro einbehalten würde, kommen Beschäftigte mit mittlerem Verdienst nicht einmal in die Nähe des Spitzensteuersatzes von 42 Prozent. Auch alleinstehende Normalverdiener bleiben unter 33 Prozent.

Katja Rietzler, Birger Scholz, Dieter Teichmann, Achim Truger: IMK-Steuerschätzung 2017-2021 (pdf). IMK-Report Nr. 126, Mai 2017

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