Quelle: HBS
Böckler ImpulsArbeit: Starke Demokratie braucht starke Mitbestimmung
Die Mitbestimmung ist ein Erfolgsmodell – von ihrer gesetzlichen Verankerung vor 70 Jahren bis heute. Das belegen zahlreiche Studien. Dennoch ist Mitbestimmung nicht selbstverständlich: Sie muss verteidigt, ausgebaut und an die Zukunft angepasst werden.
Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer ist eine gesellschaftspolitische Errungenschaft. Sie bildet einen der Grundpfeiler unserer Demokratie. Vor 70 Jahren wurde die Mitbestimmung zunächst in den Unternehmen der Montanindustrie gesetzlich verankert, durchgesetzt vom damaligen DGB-Vorsitzenden Hans Böckler und unterstützt durch viele streikbereite Gewerkschafter. Später wurde das Prinzip Mitbestimmung auf alle großen Unternehmen übertragen, ohne jedoch die gleiche Qualität durch echte Parität zwischen Arbeitnehmer- und Kapitalseite im Aufsichtsrat zu erreichen. „Mitbestimmung hat sich in der Vergangenheit für den Ausgleich zwischen sozialen und wirtschaftlichen Interessen bewährt und wird dies auch in Zukunft tun, wie gerade die Bewältigung der Coronakrise zeigt“, sagt Norbert Kluge, Geschäftsführer der Hans-Böckler-Stiftung. „Mitbestimmung durch Betriebs- und Aufsichtsräte ist immer dann besonders wirksam, wenn sie mit starken Tarifverträgen und Gewerkschaften zusammenwirkt.“
In den kommenden Monaten wird Böckler Impuls in jeder Ausgabe den aktuellen Stand der Forschung zur Leistungsfähigkeit der Mitbestimmung präsentieren, begleitend zur neuen Mitbestimmungskampagne der Hans-Böckler-Stiftung. Die Serie beginnt mit einer Studie, die zeigt, warum mitbestimmte Unternehmen besser für Krisen gerüstet sind. Weitere Analysen belegen, dass Unternehmen, in denen es einen Betriebsrat gibt und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat mitbestimmen, produktiver und innovativer sind. Sie verfolgen nachhaltigere und weniger spekulative Geschäftsmodelle, bieten mehr Ausbildungsplätze an und setzen eher auf Qualität als auf Billigangebote. Auf lange Sicht sind sie daher erfolgreicher.
„Wider besseres Wissen neigen einige Unternehmer und Manager auch heute noch dazu, Mitbestimmungsrechte zu schwächen oder gleich ganz zu entziehen“, so Kluge. Sie nutzten dafür Gesetzeslücken in Deutschland aus oder die Möglichkeiten des europäischen Rechts. „Auf europäischer Ebene fordern die Gewerkschaften deshalb einmütig, solche Schlupflöcher zu schließen.“ Notwendig sei eine neue EU-Rahmenrichtlinie, die Mindeststandards der Unterrichtung, Anhörung und Mitbestimmung festschreibt.
Auch in Deutschland müsse gesetzlich nachgelegt werden, etwa durch die Vorschrift, alle Arbeitnehmer in die gesetzliche Mitbestimmung einzubeziehen, unabhängig von der jeweiligen Rechtskonstruktion ihres Unternehmens, erklärt Kluge. Die Aufweichung des Doppelstimmrechts für den Vorsitzenden des mitbestimmten Aufsichtsrats stehe ebenfalls ganz oben auf der Liste politischer Forderungen. Zudem sollten Unternehmen stärker auch auf Ziele wie gute Arbeit, Klimaschutz und weltweit gerechtere Verteilung von Einkommen und Lebenschancen verpflichtet werden. Das zeitgemäße Leitbild, so Kluge, sei das „nachhaltige Unternehmen“. Dessen wesentliches Merkmal sei die Einbeziehung von „Workers‘ Voice“ auf allen Ebenen der Corporate Governance, national wie transnational. Das nachhaltige Unternehmen treibe so eine gesamtgesellschaftliche „Just Transition“ voran – eine gerechte Transformation in Richtung einer ökologisch und sozial verträglichen Wirtschaft.