: Stabilitätsanker Rente
Die Einnahmeausfälle bei der Rentenversicherung sind dank Kurzarbeit bislang zu bewältigen. Die Ausgaben der Rentner tragen dazu bei, die Wirtschaft in der Krise zu stabilisieren.
Wie sich die Corona-Pandemie auf die Rentenversicherung auswirken wird, damit hat sich WSI-Forscher Florian Blank in einer aktuellen Analyse auseinandergesetzt. Seinen Ergebnissen zufolge sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt überschaubare Auswirkungen auf die Rentenversicherung zu erwarten. Allerdings könnten aktuell nur erste systematische Überlegungen zu Rente und Corona-Pandemie angestellt werden die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Krise, vor allem aber ihre Dauer seien noch unklar.
Entscheidend für die finanzielle Situation der Rentenversicherung sei die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, schreibt Blank. Dort werde die Coronakrise nach aktuellen Prognosen zwar Spuren hinterlassen, aber keinen Kahlschlag anrichten: Den an der Gemeinschaftsdiagnose beteiligten Instituten zufolge werde die Zahl der Erwerbstätigen nach jetzigem Stand nicht hinter den Wert von 2018 zurückfallen, die Zahl der Arbeitslosen nicht die von 2017 überschreiten. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gehe zwar von gravierenderen Anpassungen aus. Arbeitsmarkteffekte sind aber zunächst vor allem in Form von Kurzarbeit sichtbar. Das bedeute zwar einen Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Lohnsumme. Aus rentenpolitischer Perspektive sei eine kurz andauernde Krise mit schneller Erholung des Arbeitsmarktes aber zu bewältigen. Denn sowohl beim Kurzarbeitergeld als auch beim Arbeitslosengeld I würden weiter Beiträge gezahlt.
Blank demonstriert das anhand eines Rechenbeispiels: Wenn wie von der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose Anfang April erwartet im zweiten Quartal 2020 im Schnitt 2,4 Millionen Beschäftigte auf Kurzarbeit gehen und man unterstellt, dass das Kurzarbeit Null bedeutet, die Arbeitszeit also auf null reduziert wird, und die Beschäftigten ein Durchschnittseinkommen von 40 551 Euro haben, entgehen der Rentenversicherung rund 0,3 Milliarden Euro im Monat. Das sind knapp 1,8 Prozent der im März 2020 aus Pflichtbeiträgen eingenommenen 17 Milliarden Euro. Sollte die Krise mehrere Jahre dauern, werde auch die Rentenversicherung deutlich belastet, erklärt der WSI-Forscher. Kurzfristig seien die Ausfälle aber ohne Bundesmittel oder Beitragssatzerhöhungen aus den aktuellen Rücklagen von 40 Milliarden Euro finanzierbar.
Gegen verringerte Rentenanpassungen, wie sie vereinzelt gefordert werden, spricht laut Blank auch das Argument, dass die Sozialversicherung bei der Krisenbewältigung eine wichtige Rolle spielt. Lohnersatzleistungen wie die Rente entfalteten positive gesamtwirtschaftliche Effekte, indem sie den Konsum stabilisieren und soziale Verwerfungen lindern. Insofern sei die Sozialversicherung kein Kostenfaktor, sondern ein flexibles Instrument zur sozialen und ökonomischen Krisenbewältigung.
Mit Kurzarbeit durch die Krise
Für rund 50 Millionen oder knapp 27 Prozent aller Beschäftigten haben Unternehmen in der EU sowie Großbritannien und der Schweiz Ende April 2020 Kurzarbeit beantragt, so das Ergebnis einer neuen Studie des WSI und des Europäischen Gewerkschaftsinstituts (ETUI). In Deutschland wurden Anträge für 10,1 Millionen oder 26,9 Prozent der Beschäftigten gestellt. Dabei ist zu beachten, dass diese Zahl spürbar höher sein dürfte als die Anzahl der Beschäftigten, die tatsächlich kurzarbeiten, weil Unternehmen oft präventiv für größere Gruppen Kurzarbeit anmelden. Wie viele Menschen tatsächlich in Kurzarbeit waren, kann die Bundesagentur für Arbeit nur mit mehrmonatiger Verzögerung ermitteln.
Torsten Müller, Thorsten Schulten: Ensuring fair short-time work a European overview, ETUI Policy Brief No. 7/2020
Florian Blank: Die Rentenversicherung: Teil der Lösung, Soziale Sicherheit 5/2020