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HBS Böckler Impuls

Währungsunion: Stabilitätspakt - eine vernünftige Reform

Ausgabe 01/2005

Der Stabilitätspakt in seiner gegenwärtigen Form ist gescheitert, konstatiert das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung: Anstatt weiterhin an der ökonomisch widersinnigen Drei-Prozent-Grenze für neue Schulden festzuhalten, sollten sich die zwölf Euroländer der EU auf Obergrenzen für das Wachstum der Staatsausgaben einigen.

Insgesamt überschritten im vergangenen Jahr sechs Staaten die Drei-Prozent-Marke des Stabilitäts- und Wachstumspaktes für die Neuverschuldung - oder schrammten allenfalls knapp daran vorbei. Fortgesetzten Ärger mit der EU-Kommission haben Deutschland und Frankreich. Beide Länder rissen die Hürde zum dritten Mal in Folge. Trotzdem haben die Wirtschafts- und Finanzminister der EU-Mitgliedstaaten die vorgesehenen Strafmaßnahmen gegen die beiden Länder ausgesetzt. Für den gesamten Euroraum lag die Nettoneuverschuldung nach den jüngsten Zahlen der OECD mit 2,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auch nur knapp unter der Drei-Prozent-Grenze.

Glaubwürdigkeit schwer beschädigt

Damit ist die Glaubwürdigkeit des Stabilitäts- und Wachstumspakts in seiner gegenwärtigen Form schwer beschädigt. Doch das liegt nicht daran, dass die Staaten der Eurozone verschwenderisch gewirtschaftet oder die europäischen Minister sich gegen stabile Finanzen verschworen haben, so das IMK. Vielmehr sei der Pakt selbst ökonomisch widersinnig.

Das Defizitkriterium taugt nämlich nicht dazu, für stabile wirtschaftliche Verhältnisse zu sorgen. Denn versucht die Finanzpolitik, die Regel einzuhalten, so muss sie im konjunkturellen Abschwung über Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen die Krise sogar noch verschärfen - das Gegenteil dessen, was ökonomisch geboten ist. Umgekehrt bietet der Stabilitätspakt im Aufschwung keinerlei Anreize zur Haushaltskonsolidierung. Wenn sich im Wirtschaftsboom die Kassen füllen, zeigen sich die Regierungen gerne großzügig, indem sie zum Beispiel Steuergeschenke machen.

Defizite nicht das Problem

Ein weiteres Manko der Defizitgrenze: Das eigentliche Problem sind gar nicht die Defizite an sich, sondern ist vielmehr die Gefahr eines unkontrollierten Anstiegs der Schuldenstandsquote - also des Anteils der Staatsschulden am Bruttoinlandsprodukt.

Deshalb sollten die Staaten der Eurozone die Drei-Prozent-Regel abschaffen und durch feste, länderspezifische Obergrenzen für das Wachstum der Staatsausgaben ersetzen, empfiehlt das IMK. Erst wenn die Schuldenstandsquote eines Eurolands über einen bestimmten Referenzwert zu wachsen droht, sollte eine solche Obergrenze greifen. Gegenwärtig liegt die durchschnittliche Quote der Mitglieder bei 78,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Nach dem aktuell gültigen Stabilitäts- und Wachstumspakt sollte sie die 60-Prozent-Marke nicht überschreiten. Die Obergrenze für das Wachstum der Staatsausgaben sollte etwas unterhalb der durchschnittlichen Wachstumsrate des nominalen Bruttoinlandsprodukts der vergangenen sechs bis acht Jahre liegen. Läge das nominale Wirtschaftswachstum - also das inklusive Inflation - beispielsweise bei 3 Prozent, könnte die Obergrenze 2,5 Prozent betragen.

Nur Konjunkturunabhängiges steuerbar

Die neue Obergrenze für das Wachstum der staatlichen Ausgaben sollte sich ausschließlich auf die konjunkturunabhängigen Posten beziehen, denn nur diese können Staaten auch wirklich steuern. Öffentliche Investitionen sollten von der Ausgabenbegrenzung ausgenommen sein, denn sie sorgen langfristig für mehr Wachstum. Da konjunkturabhängige Ausgaben - wie Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe - nicht der Beschränkung unterliegen, hätte der Staat mehr Spielraum in Schwächephasen, in Boomphasen müsste er sich dafür erheblich einschränken. Die öffentlichen Haushalte werden so in Zeiten hohen Wirtschaftswachstums konsolidiert, wenn die konjunkturabhängigen Ausgaben zurückgehen und die Steuereinnahmen überproportional steigen. So wäre der Pakt ökonomisch vernünftig.

  • Gegenwärtig liegt die durchschnittliche Schuldenstandsquote der Euroländer bei 78,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Nach dem Stabilitäts- und Wachstumspakt sollte sie die 60-Prozent-Marke nicht überschreiten. Zur Grafik

"Zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes" von Gustav A. Horn und Achim Truger, Stellungnahme des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung zum Hearing im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 19. Januar 2005
zur Stellungnahme (pdf)

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