Quelle: HBS
Böckler ImpulsKlimaschutz: Spritsteuern senken ist der falsche Weg
Der Staat sollte nicht die Preise für Benzin und Diesel drücken, sondern lieber den Gaspreis deckeln. Davon hätten Geringverdienende mehr.
Die Bundesregierung hat zahlreiche Maßnahmen beschlossen, um angesichts stark steigender Energiepreise gerade Haushalte mit niedrigen Einkommen zu entlasten. IMK-Forscherin Katja Rietzler hält die Beschlüsse mit Blick auf Haushalte von Erwerbstätigen für sozial und ökologisch weitgehend ausgewogen. In einem Punkt übt die Ökonomin jedoch Kritik: Der Plan, drei Monate lang die Steuern auf Benzin um 30 Cent pro Liter und auf Diesel um 14 Cent je Liter zu senken, setze in ökologischer Hinsicht falsche Anreize. Ausgerechnet im Verkehrssektor, dessen Treibhausgasemissionen seit 1990 im Gegensatz zu anderen Wirtschaftssektoren kaum zurückgegangen sind, würde der – vielfach unnötige – Energieverbrauch damit billiger statt teurer. Ebenso kritisch sei das Vorhaben unter sozialen Gesichtspunkten zu sehen: Damit würden keineswegs besonders einkommensschwache Haushalte entlastet, sondern fast alle etwa gleich. Ausnahmen seien das ärmste Zehntel – hier haben die meisten gar kein Auto – und das reichste Zehntel – bei diesen Haushalten fällt die Entlastung gemessen am Einkommen kaum ins Gewicht.
Die im Februar und März 2022 beschlossenen Entlastungspakete der Bundesregierung haben ein Gesamtvolumen von rund 30 Milliarden Euro und konzentrieren sich auf Erwerbstätige, während beispielsweise Rentnerinnen und Rentner nur wenig Unterstützung erhalten. Die vorübergehende Reduzierung der Steuern auf Benzin und Diesel machen ein gutes Zehntel des Gesamtbetrages aus: 3,15 Milliarden Euro. Darauf, dass diese Maßnahme in Sachen Klimaschutz eigentlich kontraproduktiv ist, weist die Regierung ausdrücklich hin – sie soll jedoch „unbillige Härten“ abfedern, also denen helfen, die nicht kurzfristig auf emissionsärmere Verkehrsmittel umsteigen können. Die langfristigen Klimaziele seien dadurch nicht gefährdet.
Rietzler wendet ein, derartige Maßnahmen könnten – wenngleich zeitlich befristet – dazu führen, dass Verbraucher die Klimaziele nicht mehr ernst nehmen und keinen Anlass für Verhaltensänderungen sehen. „Die geplante Maßnahme schafft keinerlei Anreiz zum Energiesparen, sondern führt im Gegenteil bei einem höheren Kraftstoffverbrauch auch zu einer höheren Entlastung, was der Lenkungswirkung der CO₂-Besteuerung entgegenwirkt“, so die IMK-Expertin. Grundsätzlich seien hohe Kraftstoffpreise „nicht das Problem, sondern vielmehr notwendig, um Anreize für Verhaltensänderungen zu schaffen“.
Wichtig ist der Wissenschaftlerin zufolge eine „stabile und vorhersehbare“ Entwicklung der Energiepreise, auf die sich Verbraucherinnen und Verbraucher einstellen können. Eine vorübergehende Senkung der Kraftstoffpreise wäre dann vertretbar, wenn auch mögliche Preissenkungen in der Zukunft spiegelbildlich durch höhere Energiesteuern ausgeglichen würden. Das sei von der Regierung jedoch nicht vorgesehen.
Zudem weist Rietzler darauf hin, dass im Verkehrssektor noch reichlich Einsparmöglichkeiten bestehen. So würden bislang nur 15 Prozent aller Fahrten zur Arbeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt. Dabei sei fast die Hälfte aller berufsbedingten Wege kürzer als zehn Kilometer. Viel schwerer falle es den meisten Haushalten, beim Heizen, vor allem mit Erdgas, zu sparen. Gerade für Menschen mit geringen Einkommen in Gegenden mit angespannten Wohnungsmärkten sei es nicht ohne Weiteres möglich, in eine Wohnung mit besserer Dämmung und moderner Heizung umzuziehen. Deshalb solle die Regierung mit preispolitischen Instrumenten – die gegenüber Pauschalzahlungen an die Haushalte den Vorteil haben, die Inflation zu dämpfen – hier ansetzen. Den Gaspreis zu deckeln, wäre eine Maßnahme mit stärkerer Verteilungswirkung. Denn in den unteren Einkommensklassen sei die Zusatzbelastung durch gestiegene Gaspreise besonders hoch.
Katja Rietzler: Vorübergehende Energiesteuersenkung klima- und verteilungspolitisch fragwürdig, Stellungnahme für eine Anhörung im Finanzausschuss des Bundestags, Mai 2022