Quelle: HBS
Böckler ImpulsKonjunktur: Sparen im Abschwung verschärft Krise
Wie reagiert die Wirtschaftsentwicklung auf Veränderungen der Finanzpolitik? Das hängt von vielen Faktoren ab. Besonders fatal wirkt einer aktuellen Studie zufolge die Kombination aus Finanzmarktturbulenzen, Bankenkrise und Sparpolitik.
Die Höhe des so genannten Staatsausgabenmultiplikators ist unter Ökonomen seit Jahrzehnten umstritten. Stößt eine Erhöhung der öffentlichen Ausgaben einen nachhaltigen Wachstumsprozess an oder verpufft sie nach kurzer Zeit? Und wie verhält es sich im umgekehrten Fall, bei Ausgabenkürzungen? Willi und André Semmler, Forscher an der New School for Social Research beziehungsweise Columbia University in New York, haben mit Blick auf die jüngere Entwicklung des Euroraums nach neuen Antworten gesucht.* Dazu haben sie aktuelle Studien ausgewertet und ein eigenes Modell entwickelt.
Es zeigt sich, dass die Multiplikatorwirkung erheblich von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Generell gilt nach den Erkenntnissen der Ökonomen aber: Sparen im Abschwung beeinträchtigt das Bruttoinlandsprodukt besonders stark. Und die Wirkung von Sparprogrammen oder Konjunkturspritzen wird von der Lage auf den Finanzmärkten mitbestimmt. Unternehmen und Haushalte, die Vermögensverluste erlitten oder Schwierigkeiten haben, neue Kredite zu bekommen, reduzieren ihre Nachfrage. Ein Teil von ihnen konzentriert sich nun außerdem darauf, Schulden zurückzuzahlen – wodurch wieder anderen Firmen die Einnahmen wegbrechen und die Schulden im Verhältnis zu den Gewinnen steigen. Der „Stress im Finanzsektor“ nimmt auch zu, wenn Staatsanleihen im Besitz von Banken an Wert verlieren und die in Bedrängnis geratenen Geldinstitute weniger Kredite an die Unternehmen vergeben. Diese negativen Verstärkereffekte ließen sich, so die Autoren, nur unter Kontrolle halten, wenn die Zentralbank willens und in der Lage sei, die Marktpreise von Staats- und Unternehmensanleihen zu stabilisieren und die Kreditkosten für beide, den Staatssektor wie den Privatsektor, zu senken.
Ebenso wichtig ist die Geldpolitik laut Semmler und Semmler im Aufschwung: Wenn es gelingt, die Zinsen und Kreditkosten niedrig zu halten, können zusätzliche Staatsausgaben dauerhaftes Wachstum anschieben.
André und Willi Semmler: The Macroeconomics of the Fiscal Consolidation of the European Union (pdf), Juli 2013.