Quelle: HBS
Böckler ImpulsCorona: Sorge unter Beschäftigten bleibt groß
Die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus ist unter Beschäftigten unverändert weit verbreitet. Ein Grund: Nicht alle Arbeitgeber setzen Schutzmaßnahmen konsequent um.
Im Januar 2021 hatte gut jeder dritte Beschäftigte Sorge, sich bei der Arbeit oder auf dem Weg dorthin mit dem Coronavirus zu infizieren. Trotz der inzwischen verschärften Schutzmaßnahmen entspricht dies dem Niveau der Vormonate und ist eine deutliche Zunahme gegenüber den Sommermonaten Juni und Juli, als die Infektionszahlen niedriger waren. Damals war jeweils ein Viertel der Beschäftigten besorgt. Das ist das Ergebnis einer Befragung des WSI-Portals Lohnspiegel.de, an der sich seit April 2020 mehr als 34 000 Beschäftigte beteiligt haben.
Besonders verbreitet ist die Sorge vor einer Ansteckung bei Beschäftigten, die in ihrem Beruf regelmäßig engen Kontakt zu anderen Menschen haben und deshalb selbst bei guten Arbeitsschutzmaßnahmen besonders exponiert sind. So haben seit Beginn des zweiten Lockdowns im November 57 Prozent der Befragten aus den Bereichen Erziehung und Soziales und 52 Prozent in den medizinischen Gesundheitsberufen angegeben, Sorgen vor einer berufsbedingten Ansteckung zu haben. Es folgen die Verkaufsberufe mit 47 Prozent sowie die nichtmedizinischen Gesundheitsberufe mit 46 Prozent, zu denen beispielsweise die Altenpflege gehört. Aber auch in Berufsfeldern mit geringerem Risiko gibt es viele Beschäftigte, die sich sorgen, zum Beispiel 31 Prozent in der Produktion und Fertigung und 28 Prozent im Bereich Informatik und Kommunikationstechnologie.
„Ein entscheidender Faktor ist, wie weitreichend die Corona-Arbeitsschutzmaßnahmen sind und wie konsequent sie im Betrieb umgesetzt werden“, erklärt Elke Ahlers, Expertin für Arbeit und Gesundheit am WSI. „Viele Arbeitgeber haben schnell und vorbildlich auf die neue Lage reagiert – aber leider ist das noch nicht überall der Fall.“ So attestierten zwar 54 Prozent der Befragten ihrem Arbeitgeber, ausreichende betriebliche Maßnahmen umgesetzt zu haben. Jeder dritte Befragte sah dies jedoch nur mit Einschränkungen so, jeder Achte vermisste ausreichende Maßnahmen. „Das führt bei den Beschäftigten verständlicherweise zu Frust und kann das Vertrauensverhältnis im Betrieb dauerhaft beschädigen“, so Ahlers.
Viele Betriebe setzen laut der Forscherin zu einseitig auf verhaltensorientierte Maßnahmen bei den Beschäftigten, ohne die Arbeitsabläufe und die Arbeitsorganisation anzupassen. Oft werde die Einhaltung der Hygieneregeln, der Pflicht zum Maskentragen oder zum Abstandhalten angemahnt – bei den Leistungsanforderungen aber nicht berücksichtigt, dass das Tragen einer Maske vor allem bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten das Atmen erschwert. Problematisch sei zudem die seit Jahren mangelhafte Umsetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilungen körperlicher und psychischer Belastungen. „Durch die Sorge vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus und die veränderte Arbeitssituation ist für die Beschäftigten eine neue psychische Belastung entstanden – und zwar auch in Berufen, die vor Ausbruch der Pandemie keine besonderen Gesundheitsrisiken bargen“, so Ahlers.
Weitreichende Mindestanforderungen für den Arbeitsschutz enthält die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel, die seit August 2020 für alle Betriebe in Deutschland verbindlich ist. „Bei der konkreten Planung und Umsetzung im Betrieb sollen die Beschäftigten unbedingt eng eingebunden werden“, rät die WSI-Expertin. Das schaffe die Voraussetzungen für gute Lösungen, die von allen Betroffenen mitgetragen und befolgt werden.
Wie bei allen Maßnahmen des Arbeitsschutzes hat der Betriebsrat bei den Corona-Schutzmaßnahmen ein gesetzlich verbrieftes Mitbestimmungsrecht. Ein Problem: Vor allem in kleineren Betrieben gibt es oft keinen Betriebsrat – obwohl gerade dort viele Beschäftigte ausreichende Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers vermissen. So bewerteten 14 Prozent der Befragten aus Kleinbetrieben mit unter 100 Beschäftigten die bisherigen Maßnahmen als nicht ausreichend, verglichen mit 12 Prozent in Betrieben mit 100 bis 500 Beschäftigten und 9 Prozent in Großbetrieben mit mehr als 500 Beschäftigten. Umso wichtiger sind laut Ahlers effektive Arbeitsschutzkontrollen – auch und gerade in den vielen kleineren Betrieben. Dass die Arbeitsschutzaufsicht in Deutschland personell sehr dünn aufgestellt ist, räche sich jetzt in der Corona-Pandemie.