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HBS Böckler Impuls

Rente: Schwieriger Berufsausstieg für Kranke

Ausgabe 03/2010

Die Hürden für eine Erwerbsminderungsrente sind in Deutschland sehr hoch. Viele Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen müssen darum von Arbeitslosengeld II leben oder vorzeitig in die Altersrente wechseln.

Nicht lädiert genug für eine Erwerbsminderungsrente, aber auch nicht gesund genug, um auf dem Arbeitsmarkt noch eine realistische Chance zu haben - in dieser Lage befinden sich Tausende von Menschen in Deutschland. Pro Jahr werden etwa 160.000 erfolglose Anträge auf eine Erwerbsminderungsrente gestellt, berichtet der neue Altersübergangs-Report. Nur etwa jeder zweite Antrag wird bewilligt. Die medizinischen Kriterien für eine Erwerbsminderungsrente sind im europäischen Vergleich sehr strikt, schreibt Martin Brussig in der von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie. Der Wissenschaftler vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) macht deutlich, welche Folgen das hat: Wer keine Erwerbsminderungsrente zugestanden bekommt, muss sich mit seinen gesundheitlichen Problemen auf dem Arbeitsmarkt behaupten. Dort hat er meist schlechte Aussichten, ist häufiger und länger arbeitslos als andere, geht früher in eine mit Abschlägen belastete Altersrente.

In Dänemark, Großbritannien oder den Niederlanden ist es leichter, eine Erwerbsminderungsrente zu bekommen. Sie diene dort auch als "arbeitsmarktpolitisches Ventil", so Brussig. In Deutschland wurde im Unterschied dazu mit dem Ende der Frühverrentungspolitik auch der Weg in eine Rente aufgrund verminderter Erwerbsfähigkeit erschwert. Seit Mitte der 1990er-Jahre geht die Zahl der Erwerbsminderungsrenten zurück. Das Problem hat sich nochmals verschärft, nachdem die bis 2001 gültige gesetzliche Berufsunfähigkeitsversicherung abgelöst wurde. Die hatte den erlernten oder ausgeübten Beruf geschützt; seitdem muss der Antragssteller "eine für jegliche Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt fehlende Erwerbsfähigkeit" vorweisen. Und das ist weit schwieriger.

Die Einführung der Rentenabschläge, das Auslaufen der Förderung der Altersteilzeit, die Anhebung des gesetzlichen Rentenalters auf 67 - auch diese Reformen sollen Beschäftigte zu einem möglichst langen Arbeitsleben bewegen. Tatsächlich schieben viele Ältere den Übergang in die Rente auf. Das durchschnittliche Rentenalter hat sich seit den 1990er-Jahren um ein Jahr erhöht. IAQ-Experte Brussig rät zwar von einer schrankenlosen Ausweitung der Erwerbsminderungsrenten ab, doch er warnt auch davor, nur den statistischen Erfolg zu sehen: "Die Probleme in der Beschäftigungssituation der Älteren sind nicht dadurch verschwunden, dass sie beim Rentenzugang nicht sichtbar werden."

  • Die Politik hat vielen Kranken den Weg in die Erwerbsminderungsrente verstellt. Zur Grafik

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