Quelle: HBS
Böckler ImpulsArbeitsmarkt: Schwerer Start auch für kluge Köpfe
Jungen Akademikern fällt der Einstieg in den Beruf schwer, viele Unternehmen nutzen das aus. Die ersten Forschungsergebnisse zur Generation Praktikum machen aber auch deutlich: Den Absolventen kommt ihr hohes Bildungsniveau trotzdem zu Gute.
Sie sind jung, gut ausgebildet und motiviert - den Sprung auf einen Arbeitsplatz schaffen dennoch viele nicht auf Anhieb. 37 Prozent der Abgänger von Universitäten hängen darum nach dem Examen noch ein Praktikum an, 11 Prozent sogar ein zweites. Endlose Praktika-Schleifen sind aber die Ausnahme: Nur sechs Prozent der Absolventinnen machen mehr als zwei, bei Männern liegt diese Quote sogar bei Null. "Die in Medien gelegentlich suggerierte Vorstellung einer Generation von Dauerpraktikanten wird der Situation nicht gerecht", stellen Dieter Grühn und Heidemarie Hecht von der FU Berlin fest. Die Wissenschaftler haben im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung und des DGB prekäre Beschäftigungsformen von Hochschulabsolventen untersucht und erstmals empirische Daten erhoben. Bislang werteten sie über 500 Fragebögen von Akademikern aus, die an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen oder Berlin ihr Studium abgeschlossen hatten.
Die Sucharbeitslosigkeit beim Übergang in das Beschäftigungssystem hat sich verlängert, so die Forscher. Der Vergleich zwischen Absolventen des Wintersemesters 2002/2003 und denen des Jahres 2000 zeigt: Die Quote der Diplomierten oder Magister im Praktikum ist um 16 Prozentpunkte gestiegen. Praktikanten sind vor allem in Medien, Kultur und außerschulischer Bildung anzutreffen, seltener in der Wirtschaft. Und ihre Aufenthalte sind keine Stippvisiten: Die mittlere Dauer eines bezahlten Praktikums beträgt sechs Monate, 40 Prozent davon ziehen sich sogar noch länger hin. Unbezahlte Praktika sind im Schnitt einen Monat kürzer, aber jedes vierte erstreckt sich über mehr als ein halbes Jahr.
Den Lebensunterhalt können die wenigsten aus dem Praktikumsentgelt bestreiten. Selbst eine kleine Aufwandsentschädigung ist ihnen nicht sicher - fast die Hälfte bekommt keine. Wo die Arbeitgeber jegliches Salär verweigern, müssen 40 Prozent der jungen Akademiker zusätzlich jobben. Zwei Drittel bitten die Eltern wieder um Unterstützung. Wenn es eine Bezahlung gibt, beträgt sie im Durchschnitt 600 Euro. Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaftler sind weitaus häufiger als andere Absolventen auf die Schnupperjobs angewiesen, bekommen aber deutlich weniger als Wirtschafts- oder Naturwissenschaftler. Und Frauen stehen meist schlechter da: Sie erhalten im Schnitt 543 Euro, Männer 741 Euro.
Etliche Betriebe, Redaktionen und Kultureinrichtungen haben sich auf das Angebot gut ausgebildeter, aber billiger Kräfte eingestellt. So bemerkte jeder zweite Praktikant: "Die Ergebnisse meiner Arbeit waren im Betriebsverlauf fest eingeplant." Jeder Dritte berichtete von Stress und Überstunden. Viele Arbeitgeber nutzen den erschwerten Zugang ins Berufsleben aus und verlangen vom Nachwuchs trotz Studium eine nicht oder nur mäßig bezahlte Erprobungsphase. Über 60 Prozent der Absolventen konnten nicht bestätigen, angemessen betreut worden zu sein. Nur in jedem dritten Fall stand das Lernen eindeutig im Vordergrund. Richtig genervt ist etwa jeder Zehnte: "Die vielen Praktika haben mich frustriert, ich hatte aber keine Alternative."
Das Gros der Berufstätigen im Wartestand akzeptiert seinen prekären Status, weil es auf Orientierung und zusätzliche Qualifizierung hofft. Jeder Zweite will zumindest im Lebenslauf Phasen von Arbeitslosigkeit vermeiden. Die relative Gelassenheit der Mehrheit "mag einer resignativen Anpassung an die Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt geschuldet sein", so die Forscher. Dabei spiele sicherlich eine Rolle, dass den Hochschulabgängern die ungleich größeren Probleme anderer Qualifikationsgruppen bekannt sind. Die Arbeitslosenquote unter den Befragten beträgt vier Prozent - der hohe Bildungsabschluss schützt letztlich auch die vermeintliche Generation Praktikum vor Arbeitslosigkeit. Folglich sagen über 90 Prozent, dass sie sich wieder für ein Studium entscheiden würden. Allerdings würden sich etwa 40 Prozent nun in ein anderes Fach einschreiben.
Dieter Grühn, Heidemarie Hecht: Generation Praktikum? Prekäre Beschäftigungsformen von Hochschulabsolventinnen und -absolventen, Berlin, 2007
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