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HBS Böckler Impuls

Lebensqualität: Schöner wohnen zur Miete

Ausgabe 08/2009

Nirgends in Europa haben so wenige Haushalte Wohneigentum wie hierzulande. Trotzdem wohnen die Deutschen komfortabler als ihre Nachbarn.

Der durchschnittliche Westdeutsche hat etwas mehr als zwei Zimmer für sich - 42 Quadratmeter Wohnfläche. Das sind 12 mehr als 1980. Auch in den neuen Bundesländern nahm das Platzangebot in den vergangenen Jahren zu: Hier hat jeder Einwohner rechnerisch etwa 38 Quadratmeter zur Verfügung. Gleichzeitig stieg das Ausstattungsniveau: In beiden Landesteilen entsprechen rund 95 Prozent der Wohnungen modernen Standards, etwa was Bad und Heizung betrifft. "Insgesamt gehören die Wohnverhältnisse damit zweifellos zu den Bereichen des Lebens, in denen die Deutschen im Verlauf der Zeit die größten Wohlfahrtsgewinne erzielt haben", so Heinz-Herbert Noll und Stefan Weick vom Sozialforschungsinstitut GESIS. Die Verbesserung der Wohnqualität zähle zu den "besonders erfolgreichen Aspekten der gesellschaftlichen Transformation nach der Wiedervereinigung", schreiben die Wissenschaftler, die die Wohnsituation in Deutschland mit der anderer EU-Länder verglichen haben.

Mit "beengten Wohnverhältnissen" müssen sich nur 4 Prozent der Haushalte arrangieren. Darunter verstehen die Sozialforscher Wohnungen, in denen es weniger Zimmer als Personen gibt. In den übrigen Ländern der alten EU liegt diese Quote bei 7 und in den osteuropäischen Mitgliedsstaaten sogar bei 32 Prozent. Das Muster wiederholt sich beim Vergleich weiterer Indikatoren für die Wohnqualität: Deutschland liegt deutlich über dem Durchschnitt der alten EU, die neuen EU-Länder folgen mit erheblichem Abstand. Auch wenn es Ausreißer gibt. Beispielsweise verfügen in Belgien mehr Wohnungen über eine "Ausstattung unter Standard" als in Tschechien.

Lärm und Umweltverschmutzung stellen für die Deutschen ein größeres Problem dar als für die meisten anderen Europäer. Über ein Viertel der Haushalte klagt über den Krach, den Nachbarn, Straßenverkehr oder Industriebetriebe verursachen. Ähnlich viele leiden unter Luftverschmutzung und anderen Umweltbelastungen. In den übrigen EU-Ländern liegt die Quote nur bei 16 Prozent. Ob sich hinter diesen Befragungsergebnissen objektive Belastungsunterschiede oder nur ein unterschiedlich ausgeprägtes Bewusstsein für Umweltfragen verbergen, können die Forscher nicht sagen.

Vergleicht man die Angaben deutscher Haushalte mit unterschiedlichen Einkommensniveaus, so zeigt sich, dass Haushalte mit wenig Geld öfter einen hohen Lärmpegel in Kauf nehmen müssen. Dies "könnte darauf hindeuten, dass die Wohngebiete hierzulande vergleichsweise stark nach den Einkommen der Bewohner segmentiert sind", so Noll und Weick. In anderen Ländern konnten sie einen solchen Zusammenhang nicht feststellen.

Hohe Miete statt Eigentum. In keinem anderen europäischen Land leben so wenige Menschen in den eigenen vier Wänden: Nur 43 Prozent der Haushalte sind Eigentümer. Das sind 15 Prozent weniger als im Schnitt der übrigen alten EU. Besonders hoch ist die Eigentümerquote in den osteuropäischen Ländern - eine Folge der weitgehenden Privatisierung ehemals staatlicher oder genossenschaftlicher Wohnungsbestände nach dem Ende der Planwirtschaft. So leben in Litauen 90 Prozent der Haushalte in der eigenen Wohnung.

Das Beispiel Deutschland zeige, dass ein niedriger Eigentümeranteil keineswegs mit einer geringen Wohnqualität einhergehen müsse, resümieren die Forscher. Ein breiter Mietwohnungsmarkt erlaube es auch "einkommensschwächeren und kapitalärmeren Haushalten" in attraktiven Wohnungen zu leben. Die Kehrseite sind jedoch die hohen laufenden Kosten: Mit 29 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens geben die Deutschen zusammen mit Holländern und Dänen am meisten Geld fürs Wohnen aus.

  • In den übrigen EU-15-Ländern wohnen mehr Menschen in den eigenen vier Wänden als in Deutschland. Zur Grafik
  • Unter beengten Wohnverhältnissen haben selbst Familien mit geringem Einkommen in Deutschland nur selten zu leiden. Zur Grafik

Heinz-Herbert Noll und Stefan Weick: Wohnen in Deutschland: Teuer, komfortabel und meistens zur Miete (pdf), in: Informationsdienst Soziale Indikatoren, Ausgabe 41, Januar 2009

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