Tarifpolitik: Schleifspuren der Wirtschaftskrise

Ausgabe 20/2010

Beschäftigungssicherung hatte 2010 bei vielen Tarifabschlüssen oberste Priorität. Die tariflichen Einkommen sind insgesamt nur mäßig gestiegen.

"Die Tarifabschlüsse des Jahres 2010 zeigen deutliche Spuren der Krise", resümiert WSI-Tarifexperte Reinhard Bispinck in seiner vorläufigen Tarifbilanz. Vor allem in den Industriebranchen, die stark vom weltweiten Nachfrageeinbruch betroffen waren, setzten die Gewerkschaften auf tarifliche Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung. Oft wurden zunächst lediglich Pauschalzahlungen vereinbart, dauerhafte Tarifanhebungen erfolgten erst später. Prominentestes Beispiel dafür ist der Abschluss für die Metallindustrie vom Februar. Für die Zeit von Mai 2010 bis März 2011 sieht er eine Pauschale von 320 Euro vor. Ab April 2011 steigen die Tarifentgelte dann um 2,7 Prozent. Der Abschluss gibt Unternehmen auch die Möglichkeit, die Tarifanhebung je nach wirtschaftlicher Lage um zwei Monate vorzuziehen. Eine Anzahl von Großunternehmen hat mittlerweile angekündigt, die Tariferhöhung bereits am 1. Februar umzusetzen.

Der deutliche Einfluss der Krise auf die Tarifrunde 2010 hat auch Auswirkungen auf die kommende Tarifentwicklung: Die bereits für 2011 vereinbarten Tarifsteigerungen bewegen sich überwiegend zwischen 1,5 und 2,5 Prozent, zeigt Bispinck. Das gilt beispielsweise für das Bankgewerbe, die Papierverarbeitung oder Hotels und Gaststätten. Dank der starken wirtschaftlichen Erholung zeichnete sich allerdings im zweiten Halbjahr ein Trend zu höheren Tarifabschlüssen ab. "Vor allem der Abschluss in der Stahlindustrie mit einer Tarifsteigerung von 3,6 Prozent hat Hoffnungen auf eine dringend notwendige Trendwende in der Lohnpolitik geweckt", sagt Bispinck.

Die Tarifrunde 2011 startet gleich Anfang des Jahres mit den Verhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder. Im Frühjahr folgen unter anderem die chemische Industrie, das Versicherungsgewerbe, die Druckindustrie sowie der Einzel- und Großhandel.