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Scharfes Schwert gegen prekäre Jobs Böckler Impuls

Arbeitswelt: Scharfes Schwert gegen prekäre Jobs

Ausgabe 07/2025

In der Fleischbranche hat der Gesetzgeber durchgegriffen und für bessere Arbeitsbedingungen gesorgt. Ein Vorbild für die Paketzustellung – und andere Wirtschaftsbereiche?

Die miserablen Arbeitsbedingungen von Migrantinnen und Migranten, die zu extrem niedrigen Löhnen bei langen Arbeitszeiten als Beschäftigte verschachtelter Subunternehmer-Konstruktionen in deutschen Schlachthöfen schufteten, waren nie ein Geheimnis. Doch erst die Corona-Ausbrüche in Fleischbetrieben im Jahr 2020 lenkten die öffentliche Aufmerksamkeit auf eine Branche, in der die Missachtung von Arbeitsschutzvorschriften an der Tagesordnung war. Die Politik reagierte mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz, einem Bündel von Maßnahmen, die zum Teil rechtliches Neuland darstellten. Unter anderem darf die Fleischindustrie im Kernbereich ihrer Tätigkeit heute keine Verträge mit Subunternehmern mehr schließen, um an billiges Personal zu kommen. Eine aktuelle Branchenstudie zeigt: Zwar lässt das Lohnniveau immer noch zu wünschen übrig, doch insgesamt hat sich die Lage der Beschäftigten deutlich verbessert.

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Könnten und sollten Regelungen, die das Arbeitsschutzkontrollgesetz für die Fleischwirtschaft trifft, auf andere Branchen mit prekären Beschäftigungsbedingungen übertragen werden? Mit dieser Frage setzt sich ein aktuelles Rechtsgutachten im Auftrag des HSI auseinander. Anneliese Kärcher und Manfred Walser von der Hochschule Mainz haben herausgearbeitet, unter welchen Umständen der Gesetzgeber in einer Branche mit dem „scharfen Schwert“ des Direktanstellungsgebots durchgreifen kann, wie er es in den Schlachthöfen getan hat:

  • Wesentliche Teile der Arbeitsleistung werden von Fremdpersonal erbracht, etwa durch die Vergabe von Werk- oder Dienstverträgen an Subunternehmer und an Soloselbstständige oder durch die Beschäftigung von Leiharbeitskräften.
  • Die Art des Personaleinsatzes führt zu Intransparenz und unklaren Verantwortlichkeiten.
  • Ein großer Teil der Beschäftigten ist in einer schwachen Position, zum Beispiel wegen des Aufenthaltsstatus, eines geringen Ausbildungsniveaus oder fehlender Sprachkenntnisse. 
  • In der Branche wird „in erheblichem Ausmaß“ gegen Mindestarbeitsbedingungen verstoßen und illegale Beschäftigung ist an der Tagesordnung.
  • Die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen ist schwer zu kontrollieren.
  • Es fehlen die strukturellen Voraussetzungen, um Missstände mithilfe „kollektivarbeitsrechtlicher Instrumente“ – wie etwa der Sozialkassen der Bauwirtschaft – abzustellen. 
  • Es stehen keine „milderen“ Regulierungsinstrumente zur Verfügung, die effektiv wären. 
  • Die Branche lässt sich klar abgrenzen.

In einer Gesamtschau dieser Branchenumstände, so Kärcher und Walser, wäre ein Direktanstellungsgebot wie in der Fleischwirtschaft nach deutschem und europäischem Recht zulässig – und nötig. Es würde nämlich für klare Verantwortlichkeiten sorgen und so eine effektive Rechtswahrnehmung und -durchsetzung ermöglichen. Nicht zuletzt könnte dann auch Mitbestimmung effektiv ausgeübt werden, was in der Folge zudem den Weg für Tarifverträge ebnen könnte. 

Ernesto Klengel, wissenschaftlicher Direktor des HSI, sagt: „Prekäre Arbeitsbedingungen sind kein Naturgesetz, es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Das Gebot, dass Unternehmen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sie im Betrieb einsetzen, selbst beschäftigen, ist in vielen Branchen ein wirksames und effektives Instrument.“

Eine Branche, die die Kriterien für ein Direktanstellungsgebot erfüllt, ist laut der Analyse die Paketzustellung. In anderen Wirtschaftsbereichen mit prekären Beschäftigungsbedingungen, in denen Fremdpersonaleinsatz keine Rolle spielt, etwa der landwirtschaftlichen Saisonarbeit, lägen die Voraussetzungen dagegen nicht vor. Um auch in solchen Branchen Verbesserungen zu erreichen, empfehlen Kärcher und Walser stattdessen die Einrichtung „zentralisierter Arbeitsinspektorate mit umfassenden Kompetenzen hinsichtlich der Kontrolle, aber auch erweiterten Möglichkeiten zur Durchsetzung von Mindestarbeitsbedingungen“.

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