Quelle: HBS
Böckler ImpulsWeltwirtschaft: Regulierte Wechselkurse für mehr Stabilität
Freie Wechselkurse haben die Weltwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten nicht ins Gleichgewicht gebracht, sondern instabiler gemacht. Eine neue internationale Währungsordnung könnte die Devisenspekulation bremsen und den Welthandel erleichtern.
In Japan zu Niedrigstzinsen Geld leihen, in Dollar tauschen und hochverzinslich in den USA wieder anlegen: Es sind Geschäfte wie diese so genannten Carry Trades, die einen Großteil der Bewegungen am Devisenmarkt auslösen. Die Wechselkurse spiegeln keine realwirtschaftlichen Differenzen wie unterschiedliche Güterpreisniveaus wider, sondern folgen spekulativen Kapitalbewegungen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD).
Die Wirtschaft des Landes, dessen Währung steigt, verliert an Wettbewerbsfähigkeit, das Defizit in der Handelsbilanz wächst. Die Überschussländer verleihen das im Export verdiente Geld ins Ausland und die Defizitländer verschulden sich immer weiter. So entstünden globale Spekulationsblasen, deren Platzen nun die gesamte Weltwirtschaft erschüttert, erklärt die UN-Organisation. Sie rät daher, die Austauschverhältnisse der verschiedenen Währungen künftig nicht mehr dem freien Markt zu überlassen, sondern zu einem System weitgehend fester Wechselkurse zurückzukehren. Schließlich habe die Welt unter dem bis Anfang der 1970er-Jahre gültigen Festkurssystem von Bretton Woods "zwei Jahrzehnte der Prosperität und finanziellen Stabilität" erlebt.
Das Spiegelbild der Handelsungleichgewichte, die "dramatisch angestiegene" grenzüberschreitende Verschuldung sei einer der wichtigsten Kanäle, durch die sich die Finanzkrise über die Welt verbreitet habe, so die UNCTAD. Wenn Vermögensverluste in einem Land dazu führen, dass Schuldner ihre Auslandskredite nicht mehr zurückzahlen können, komme eine globale Kettenreaktion in Gang. Weitere Verluste resultieren aus heftigen Wechselkursbewegungen, die internationale Anleger auslösen, wenn sie ihr Geld in Sicherheit bringen wollen. So mussten Ungarn und Island Ende 2008 Notkredite des Internationalen Währungsfonds in Anspruch nehmen, nachdem Spekulanten Kapital abgezogen und damit erhebliche Abwertungen ausgelöst haben.
Ähnliche Erfahrungen haben einige Schwellenländer in den 1990er-Jahren gemacht. Sie zogen daraus die Konsequenz, sich nicht mehr auf den Zustrom ausländischen Kapitals zu verlassen. Stattdessen koppelten sie ihre - unterbewertete - Währung an den Dollar und konnten so durch preisgünstige Exportprodukte Handelsüberschüsse erzielen. Sie begannen Devisen zu horten. Vor allem China verfolgte diese Strategie. Doch auch das funktionierte nur, solange die hoch verschuldeten USA in der Lage waren, weiter chinesische Produkte auf Pump zu kaufen. Die übrigen großen Industrieländer hätten keinerlei Anstrengungen unternommen, die Rolle der Wachstumslokomotive zu übernehmen, heißt es in der UNCTAD-Studie: Länder wie Deutschland oder Japan trügen nicht zum Abbau der weltweiten Handelsungleichgewichte bei, sondern verschärften sie noch mit ihrer einseitig auf mehr Wettbewerbsfähigkeit gerichteten Politik.
Um die negativen Folgen schwankender Wechselkurse für die Realwirtschaft beseitigen, neue Ungleichgewichte zu vermeiden und Abwertungswettläufe zu verhindern, schlägt die UNCTAD vor, zu einem multilateralen System überzugehen, das Anpassungen der Wechselkurse nur unter bestimmten Bedingungen zulässt: Nämlich wenn sich die Preis- oder Zinsniveaus der Länder auseinander entwickeln. Was in der Regel daran liegt, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes im Verhältnis zu anderen verändert - etwa weil es Arbeitnehmern nicht gelungen ist, in Lohnverhandlungen den verteilungsneutralen Spielraum auszuschöpfen.
Grundsätzlich sollen die realen Wechselkurse konstant gehalten werden. Damit entfallen Anreize zur kurzfristigen Devisenspekulation und die relativen Wettbewerbspositionen der beteiligten Länder bleiben im Regelfall unverändert, erwartet die UNCTAD. Im Gegensatz zum Weltwährungssystem der Nachkriegsdekaden solle ein neues Bretton-Woods-System nicht nur um den US-Dollar herumgebaut werden. Den Kern könnte stattdessen ein Korb aus mehreren Leitwährungen bilden. So entstünde ein System aus "Planeten und Satelliten", das der heutigen "multipolaren" Weltwirtschaft gerecht wird.