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Regeln für die Schichtarbeit Böckler Impuls

Belastender Schichtdienst: Regeln für die Schichtarbeit

Ausgabe 09/2024

Schichtarbeit schlaucht und ist auf Dauer gesundheitlich riskant. Schlafstörungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind nur zwei von vielen gesundheitlichen Problemen, die in der Gruppe der Schichtarbeitenden deutlich häufiger vorkommen als in der übrigen Bevölkerung.

Rund 15 Prozent der Beschäftigten in Deutschland müssen mit rhythmisch wechselnden Arbeitszeiten leben. Zwar liegen eine ganze Reihe weitgehend unstrittiger arbeitswissenschaftlicher Empfehlungen vor, nach denen sich Schichtarbeit so planen lässt, dass Gesundheitsrisiken minimiert werden. Doch häufig werden sie nicht oder unzureichend umgesetzt. Woran das liegt und was sich dagegen tun ließe, hat die Expertin für Personal- und Organisationsentwicklung Maren Evers untersucht. Sie hat Fachliteratur gesichtet und Interviews mit betrieblichen Experten geführt. Ihr Fazit: Es braucht nicht nur Empfehlungen, sondern verbindliche Regeln auf überbetrieblicher Ebene.

Das Arbeitszeitgesetz verpflichtet Unternehmen lediglich, Schichtarbeit „nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen“, führt dies aber nicht näher aus und beinhaltet keine Sanktionen bei Zuwiderhandlung. Ein Beispiel für solche arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse ist, dass der menschliche Organismus mit der sogenannten Vorwärtsrotation besser zurechtkommt als mit anderen Schichtfolgen: Auf die Frühschichttage folgt die Spätschicht, dann die Nachtschicht. Ebenfalls empfohlen wird ein kurzzyklischer Schichtwechsel, bei dem nicht mehr als drei Tage hintereinander in einer bestimmten Schicht gearbeitet wird. Nach der letzten Nachtschicht sollte eine Ruhepause von wenigstens 48 Stunden eingehalten werden. Und so weiter.

In der Praxis – Evers richtet den Blick hauptsächlich auf Schicht- und Nacharbeit in der industriellen Produktion – fallen die Forschungsergebnisse häufig unter den Tisch. Das hat nach der Analyse der Forscherin vielfältige Gründe. Zunächst steht die noch immer vielerorts bestehende „40-Stunden-Vollzeitnorm“ im Weg, die es erschwert, ein System mit den nötigen Erholungszeiten zu entwerfen. Umstellungen von Schichtsystemen sind außerordentlich „aufwendig und zeitintensiv“. Das erfordert große Anstrengungen und Kompetenzen bei der Personalplanung. Auch die Beschäftigten sind oftmals geneigt, am alten Rhythmus festzuhalten, weil der Nutzen einer Umstellung häufig nicht ad hoc erkennbar ist. Schließlich bringen neue Schichtmodelle auch private Arrangements erst einmal durcheinander und möglicherweise werden Teams auseinandergerissen. Manche fürchten um ihre Zulagen für die Nachtschicht, andere argwöhnen, es gehe eigentlich darum, die Arbeitslast zu erhöhen. Zudem drohen Ungerechtigkeiten: Wenn etwa alle Arbeiten die auch am Tag erledigt werden können, konsequent aus der Nachtschicht ausgegliedert werden, könnte es darauf hinauslaufen, dass die besser Qualifizierten keine Nachtschicht zu machen brauchen, die weniger Qualifizierten aber schon. Auch Betriebsräte geraten hier oft in Rollenkonflikte und sehen sich vor der kaum lösbaren Aufgabe, die Belegschaft von abstrakten Prinzipien zu überzeugen, die nicht den konkreten Wünschen der Beschäftigten entsprechen.

Daher könne, folgert Evers, das Problem nicht einzig auf der Betriebsebene bearbeitet werden. Es „braucht ein auch auf gesetzgeberischer und gesamtgesellschaftlicher Ebene konsistentes Konzept zum Umgang mit den schichtarbeitsbezogenen Belastungen“. Dazu zählt die Forscherin unter anderem „Arbeitszeitnormen mit einer reduzierten Vollzeit für Schichtbeschäftigte, verbindliche Ankündigungszeiträume und Personalstärken, die für die Behörden eindeutig prüfbar sind“.

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Maren Evers: Hemmnisse bei der Umsetzung ergonomischer Nacht- und Schichtarbeit, Zeitschrift für Arbeitswissenschaft 1/2024, März 2024

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