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HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: Recht auf Mitsprache und Tarifvertrag machen Arbeitsplätze attraktiv

Ausgabe 04/2007

Wenn Beschäftigte ihren Job kündigen, muss ihre Firma zumeist neue Leute suchen und einarbeiten. Wer geht, nimmt oft auch betriebsspezifisches Wissen mit. Betriebsräte und Tarifverträge können dazu beitragen, dass Arbeitnehmer länger im Unternehmen bleiben.

Viele Unternehmen suchen nach Wegen zur Mitarbeiterbindung, um im Wettbewerb um qualifizierte Kräfte bestehen zu können. Christian Pfeifer von der Leibniz Universität Hannover hat untersucht, welche Rolle Betriebsräte und Tarifverträge dabei spielen können. Denn: Wer kündigt, war häufig mit seinen bisherigen Arbeitsbedingungen nicht zufrieden. Der neue Betrieb lockt: zum Beispiel mit höherem Lohn, kürzerer Arbeitszeit, netterem Arbeitsklima oder besserem Gesundheitsschutz.

In einer ökonometrischen Analyse hat Pfeifer die repräsentativen Daten aus 1.412 Betrieben der Jahre 2000 bis 2004 ausgewertet, die niedersächsische Teilstichprobe aus dem Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Dabei berücksichtigte er wichtige Einflussfaktoren wie die Größe oder wirtschaftliche Lage der Unternehmen. Auf verschiedenen Rechenwegen kommt der Forscher zu denselben Befunden:

=> Das Vorhandensein eines Betriebsrats allein lässt Kündigungen von Beschäftigten um etwa 20 Prozent sinken. Denn nach dem Betriebsverfassungsgesetz hat der Betriebsrat nicht nur ein Informationsrecht. Er kann zum Beispiel Einfluss nehmen auf die Festlegung von Betriebszeiten wie Arbeitsanfang und -ende, Pausen sowie Betriebsferien. Auch an Entscheidungen über Weiterbildungen, Einstellungen und Entlassungen sind Arbeitnehmervertreter beteiligt. Darüber hinaus kann der Betriebsrat kündigungswilligen Beschäftigten helfen, ihre individuelle Situation zu verbessern - damit sie dem Unternehmen dann doch erhalten bleiben.

=> Eine alleinige Tarifbindung verringert die Zahl der Arbeitnehmerkündigungen um ungefähr 7 Prozent. Die Interessen von einzelnen Arbeitnehmern oder der Belegschaft eines einzelnen Betriebes regeln Tarifverträge zwar nur bedingt. Doch die Tarifbindung sichert allgemein bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und geringere Arbeitszeiten.

=> Sind Betriebsrat und Tarifbindung vorhanden, sinken freiwillige Kündigungen sogar um mehr als 30 Prozent. Der Ökonom erklärt diesen starken Effekt so: Betriebsräte können ihre Aufgaben effektiver wahrnehmen, wenn Verteilungskonflikte in Tarifverhandlungen außerhalb des Betriebes laufen. In tarifgebundenen Unternehmen läuft die Kooperation zwischen Arbeitnehmervertretern und Geschäftsleitung besser als dort, wo innerbetriebliche Verteilungskämpfe stattfinden.

Zur Kontrolle prüfte der Wissenschaftler auch den Zusammenhang zwischen Arbeitnehmerkündigungen und der Personalstruktur der Betriebe. So haben Unternehmen mit einem höheren Anteil von Teilzeitbeschäftigten, Frauen und Arbeitern tendenziell mehr Abgänge. Dagegen kommen bei qualifizierten Arbeitskräften freiwillige Kündigungen seltener vor. Sind höher Qualifizierte also grundsätzlich zufriedener oder gar duldsamer? Der Forscher sieht einen anderen Zusammenhang: "Dieser Befund könnte darauf hindeuten, dass Personalabgänge und die daraus folgenden Neueinstellungen von qualifizierten Arbeitnehmern mit höheren Kosten verbunden sind." Unternehmen hätten einen stärkeren Anreiz, auf Meinungsäußerungen von Qualifizierten zu hören, um deren Abgänge zu vermeiden.

Pfeifers Fazit: Sowohl Betriebsräte als auch Tarifverträge können somit zu einem höheren Nutzen aus Arbeit beitragen, wodurch es seltener zu freiwilligen Kündigungen kommt. Damit wirken sich Betriebsrat und Tarifvertrag für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer insgesamt positiv aus. Denn auch für die Beschäftigten ist ein Jobwechsel mit Kosten verbunden - und sei es nur, dass die sozialen Beziehungen am alten Arbeitsplatz verloren gehen.

Das Unternehmen spart sich den Aufwand für Neueinstellung und Einarbeitung - "und hat zudem eher Anreize, in betriebsspezifisches Humankapital zu investieren". Dies könne sich positiv auf die betriebliche Produktivität auswirken. Die ist, zeigen andere Studien, bei Unternehmen mit Betriebsrat oft tatsächlich höher. Ein Produktivitätseffekt ist besonders dann festzustellen, wenn diese Unternehmen der Tarifbindung unterliegen.

  • Mit Tarifvertrag und Betriebsrat gibt es weniger Kündigungen. Zur Grafik

Christian Pfeifer: Betriebsräte, Tarifverträge und freiwillige Kündigungen von Arbeitnehmern, in: WSI-Mitteilungen 2/2007.

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