Quelle: HBS
Böckler ImpulsKonjunktur: Prognose: Wachstum mit Risiken
Die deutsche Wirtschaft dürfte auch 2011 ordentlich wachsen, Arbeitslosigkeit und Staatsdefizit gehen zurück, prognostiziert das IMK. Doch die europäische Finanzkrise trübt die weiteren Aussichten kräftig ein.
3,7 Prozent Wirtschaftswachstum in diesem und 2,5 Prozent im kommenden Jahr, weniger als drei Millionen Arbeitslose im Jahresmittel 2011 und ein Rückgang des öffentlichen Defizits auf 2,3 Prozent - die neue IMK-Prognose liefert viele positive Zahlen. Doch die Wissenschaftler warnen davor, die Krise vorschnell für abgehakt zu erklären und sich auf eine stabile Erholung einzustellen.
Eine Abschwächung der Weltkonjunktur, insbesondere die Krise im Euroraum und der absehbare Sparkurs in vielen EU-Ländern dürften dazu führen, dass das Wachstumstempo der deutschen Wirtschaft im Laufe des kommenden Jahres stetig abnimmt. Was danach kommt, hängt in hohem Maße davon ab, was in den nächsten Monaten auf den Finanzmärkten passiert - und wie die europäischen Regierungen darauf reagieren. Im Sommer stehe die Konjunktur "am Scheideweg", warnen die Konjunkturforscher.
"Die furiose Aufholjagd der letzten Monate trägt die deutsche Wirtschaft mit Rückenwind ins neue Jahr. Aber danach brauchen wir neue Impulse. Und davon ist derzeit leider nicht viel zu sehen", sagt Gustav Horn, der Wissenschaftliche Direktor des IMK.
Kein Konsumboom in Sicht. Das erwartete Wirtschaftswachstum reicht zwar bei rückläufigem Arbeitskräfteangebot aus, um die Arbeitslosigkeit weiter zu reduzieren - auf 2,96 Millionen Personen im Jahresdurchschnitt 2011. Trotzdem kann die Lohnentwicklung nach der IMK-Analyse die schwachen Zuwachsraten des vergangenen Jahrzehnts bestenfalls langsam hinter sich lassen. Der Lohndruck durch schwach regulierte Leiharbeit, Minijobs und Arbeitsmarktreformen wie Hartz IV wirkt fort, zudem werden im kommenden Jahr nur für relativ wenige Beschäftigte neue Tarifverträge verhandelt. Die Experten rechnen für 2011 im gesamtwirtschaftlichen Schnitt mit effektiven nominalen Lohnzuwächsen von 1,6 Prozent pro Stunde und mit einer knapp positiven Reallohnentwicklung. "Der Trend zeigt nach oben", sagt Horn. "Aber er ist noch nicht kräftig genug, um einen Konsumboom zu entfachen und die Binnennachfrage so zu stärken, wie es nötig wäre."
Sparprogramme dämpfen deutschen Export. Denn gleichzeitig läuft die stimulierende Wirkung der Konjunkturprogramme im In- und Ausland endgültig aus. Der deutsche Export wächst 2011 weit weniger stark als 2010, prognostiziert das IMK. Hintergrund: Mehrere asiatische Länder bremsen bereits das Wachstum ihrer Volkswirtschaft, um eine Überhitzung zu verhindern. Die Erholung in den USA dürfte weiterhin schleppend verlaufen. Und angesichts der Turbulenzen im Euroraum sehen die Forscher die Gefahr, dass immer mehr Länder der Währungsunion "überaus harte Sparprogramme" auflegen werden, um zu versuchen, die Finanzmärkte zu beruhigen. So werde die Wirtschaft in der Eurozone ohne Deutschland im Jahresdurchschnitt 2011 nur um 0,6 Prozent wachsen.
Der weitere Ausblick des IMK fällt daher für Euroland und für Deutschland skeptisch aus: "Für 2012 kann ein Abschwung oder gar eine Rezession nicht mehr ausgeschlossen werden", schreiben die Wissenschaftler.
Gustav Horn, Peter Hohlfeld, Torsten Niechoj u.a.: Konjunktur am Scheideweg (pdf), IMK Report 58, Dezember 2010.