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HBS Böckler Impuls

Gender: Pay Gap eine Frage der Überzeugung

Ausgabe 10/2014

Wie groß die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern ausfallen, hängt mit dem gesellschaftlichen Klima zusammen. Das zeigt eine Schweizer Studie.

Warum Frauen im Schnitt weniger verdienen als Männer, ist umstritten: Ist der Gender Pay Gap Ausdruck von Produktivitätsunterschieden? Oder werden Frauen aus Überzeugung diskriminiert? Simon Janssen, Simone N. Tuor und Uschi Backes-Gellner haben zu dieser Debatte eine empirische Studie beigesteuert. Die Betriebswirte von der Universität Zürich haben Entgeltdaten aus Schweizer Unternehmen in Beziehung zu den Ergebnissen von Volksentscheiden gesetzt. Ihrer Analyse zufolge können gesellschaftliche Einstellungen zur Gleichstellung von Mann und Frau zumindest einen Teil der Verdienstunterschiede erklären.

Als Maßstab für die vorherrschenden Ansichten beim Thema Geschlechtergerechtigkeit haben die Forscher das Abstimmungsverhalten in den Schweizer Kantonen bei zwei Referenden verwendet: 1981 entschieden die Eidgenossen darüber, ob die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in der Verfassung verankert werden sollte. Und im Jahr 2000 ging es um eine Quotenregelung für Bundesbehörden. Zur Bestimmung der regionalen Unterschiede im Gender Pay Gap wurden Daten von Unternehmen mit Niederlassungen in verschiedenen Kantonen aus der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung ausgewertet. Insgesamt sind Informationen von über 1.277 Firmen mit 4.457 Niederlassungen und mehr als 330.000 Beschäftigten in die Analyse eingeflossen. Aus methodischer Sicht seien die verwendeten Daten in zweierlei Hinsicht vorteilhaft, schreiben die Wissenschaftler. Zum einen sei davon auszugehen, dass Präferenzen und Vorurteile bei geheimen Abstimmungen, die Gesetzesänderungen bestimmen – anders als bei Befragungen – unverzerrt zum Ausdruck kommen. Zum anderen gälten für Kantone jeweils die gleichen nationalen Gesetze und gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, während die gesellschaftlichen Überzeugungen variieren. Deren Einfluss sei daher leichter zu identifizieren als in internationalen Vergleichsstudien.

Die Unterschiede beim Abstimmungsverhalten zwischen den Kantonen sind zum Teil erheblich: Für das Referendum im Jahr 1981 – und damit für mehr Gleichberechtigung – stimmten knapp 32 Prozent der Wähler in Appenzell Innerrhoden, aber über 85 Prozent der Genfer. Im Jahr 2000 schwankte die Zustimmungsquote zwischen 7 und 31 Prozent. Zwischen diesen Werten und der Lohnstruktur in den untersuchten Firmen besteht ein signifikanter Zusammenhang.

Je höher die soziale Akzeptanz von Geschlechterungleichheit ist, desto größer fällt der Gender Pay Gap aus.

In Luzern beispielsweise, wo sich 1981 etwa die Hälfte der Wähler für mehr Gleichberechtigung aussprach, verdienen Frauen im Schnitt 32 Prozent weniger als Männer. In Basel-Stadt dagegen, einem Kanton mit ähnlichen strukturellen Merkmalen, betrug die Zustimmungsrate 72 Prozent, der firmeninterne Lohnunterschied beläuft sich auf 28 Prozent. Der Analyse zufolge gehen landesweit 10 Prozentpunkte mehr Zustimmung beim 1981er-Referendum einher mit einer um 2,2 Prozentpunkte geringeren Lohnkluft. Legt man die Ergebnisse der 2000er-Volksabstimmung zugrunde, sind es 3,8 Prozentpunkte. Die regionalen Differenzen beim Abstimmungsverhalten könnten etwa die Hälfte der unternehmensinternen Varianz beim Gender Pay Gap erklären, so die Autoren. Die Ergebnisse blieben auch dann robust, wenn Merkmale der Beschäftigten wie die berufliche Position, die Ausbildung oder der Familienstand herausgerechnet werden.

Um auszuschließen, dass unbeobachtete Produktivitätsunterschiede ihre Ergebnisse verzerren, haben die Ökonomen die Daten von knapp 90.000 Beschäftigten separat ausgewertet, die auch Angaben zu Leistungsprämien gemacht hatten. Dabei sind sie davon ausgegangen, dass leistungsabhängige Bezahlung in der Regel engen Vorgaben folgt, die sich ausschließlich an der Produktivität orientieren und wenig Spielraum für willkürliche Entscheidungen lassen. Tatsächlich zeigt sich, dass soziale Einstellungen zur Gleichberechtigung zwar die Festgehälter beeinflussen, aber kein signifikanter Effekt bei den leistungsorientierten Gehaltskomponenten nachweisbar ist. Das spreche dafür, dass das gesellschaftliche Klima unabhängig von Fragen der Produktivität eine wichtige Rolle beim Zustandekommen des Gender Pay Gap spielt, urteilen die Forscher.

  • Im Schnitt verdienten Männer 2012 in der Schweizer Privatwirtschaft 19 Prozent mehr als Frauen. Zur Grafik

Simon Janssen, Simone N. Tuor, Uschi Backes-Gellner: Social Attitudes on Gender Equality and Firms’ Discriminatory Pay-Setting, IZA Discussion Paper Nr. 7959, Februar 2014

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