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HBS Böckler Impuls

Gender: Noch viel Nachholbedarf bei der Quote

Ausgabe 12/2015

Die meisten Unternehmen sind schlecht auf die Frauenquote vorbereitet. Vor allem auf Seiten der Anteilseigner fehlt es an Frauen in den Aufsichtsräten.

Die Geschlechterquote für Aufsichtsräte ist beschlossene Sache. Doch die 106 davon erfassten Firmen haben mehrheitlich großen Nachholbedarf: Nach derzeitigem Stand erfüllt nur gut ein Fünftel von ihnen die Quote, wie eine aktuelle Bilanz der Hans-Böckler-Stiftung zeigt.

In den vergangenen Jahren ist der Frauenanteil in Führungsgremien kaum gestiegen – obwohl sich die deutsche Wirtschaft bereits vor 15 Jahren verpflichtet hatte, für eine Gleichstellung der Geschlechter zu sorgen. „Weil freiwillige Selbstverpflichtungen nicht eingehalten wurden, gibt es nun ein Gesetz, das den Anteil von Frauen in Führungspositionen verbessern soll“, erklärt Marion Weckes, Expertin für Mitbestimmung in der Hans-Böckler-Stiftung. „Die Geschlechterquote wird unweigerlich Handlungsbedarf auslösen. Es ist höchste Zeit, dass sich die Aufsichtsräte mit diesem Thema beschäftigen.“

Eine feste Quote gilt für den Aufsichtsrat in Unternehmen, die sowohl börsennotiert als auch paritätisch mitbestimmt sind. Ab 2016 müssen diese Konzerne einen Frauenanteil von 30 Prozent im Aufsichtsrat vorweisen. Firmen, die entweder börsennotiert oder mitbestimmt sind, müssen lediglich Zielgrößen für die Besetzung von Führungsposten festlegen. Minimalanforderungen sind dabei nicht vorgeschrieben, das Ziel darf nur nicht unter dem Status quo liegen.

„Die mediale Berichterstattung konnte zu der Annahme verleiten, dass eine Vielzahl von Unternehmen erfasst wird“, schreibt Weckes. Die Realität sehe jedoch anders aus. Tatsächlich müssen nach Auswertung der Expertin aktuell 106 Unternehmen in Deutschland die 30-Prozent-Quote erreichen – von Adidas bis Wüstenrot. Davon können nur 22 die Quote bereits heute erfüllen, 84 schaffen dies nicht. Insgesamt fehlen in den Aufsichtsräten 174 Frauen.

In vielen Fällen gleicht die Arbeitnehmerseite das Defizit an Frauen auf der Anteilseignerseite aus – sonst wäre die Lücke noch größer. Lediglich in 8 Unternehmen ist das Minderheitsgeschlecht auf beiden Bänken mit einem Anteil von wenigstens 30 Prozent vertreten. Im Einzelnen sind dies: Adidas, Allianz, Cewe, Deutsche Bank, Deutsche Telekom, Henkel, Kabel Deutschland, Münchener Rück und Siemens.

„Die Arbeitnehmervertreter sind wesentlich besser auf die Quote vorbereitet“, so Weckes. Immerhin 39 ihrer Bänke sind jetzt schon gesetzeskonform besetzt, auf Seiten der Kapitaleigner sind dies nur 26. Gleich stark vertreten sind Männer und Frauen auf den Arbeitnehmerplätzen von 14 Aufsichtsräten. Die Anteilseignervertreter kommen nur auf 2 Unternehmen mit Geschlechterparität. Rein männlich besetzte Gremien sind auf der Kapitalseite wesentlich häufiger: Es gibt 21 Aufsichtsräte, in denen nur männliche Anteilseigner sitzen. Lediglich 12 Arbeitnehmerbänke haben kein weibliches Mitglied.

Die Mindestquote von 30 Prozent gilt laut Gesetz für den gesamten Aufsichtsrat. Jedoch können sowohl die Vertreter der Anteilseigner als auch der Arbeitnehmer verlangen, dass jede Seite die Quote getrennt erfüllen muss. Dazu ist vor der Aufsichtsratswahl ein Widerspruch gegen die gemeinsame Erfüllung der Quote notwendig. „Aus Gründen der Rechtssicherheit ist dringend zu raten, in allen Fällen, das heißt vor jeder Wahl und Entsendung, den Widerspruch auszuüben“, schreibt Weckes.

  • Nach derzeitigem Stand erfüllt nur gut ein Fünftel der betroffenen Unternehmen die Geschlechterquote im Aufsichtsrat. Zur Grafik

Marion Weckes: 30 % Quote im Aufsichtsrat: Eine Eröffnungsbilanz, Report der Mitbestimmungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 12, Juli 2015

Fragen und Antworten zur Geschlechterquote

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