Unternehmensteuern: Nicht der Fiskus schafft das Wachstum
Von 2008 an sollen Unternehmen in Deutschland noch weniger Steuern zahlen. Die Bundesregierung erhofft sich davon eine bessere wirtschaftliche Entwicklung. Dabei ist der Zusammenhang zwischen Steuern und Wirtschaftswachstum äußerst schwach, so der Finanzwissenschaftler Giacomo Corneo.
Führt eine Senkung der Unternehmensbesteuerung notwendigerweise zu mehr Investitionen, sprich zum Kauf zusätzlicher Maschinen und Produktionsanlagen? Dies wird oft behauptet. Corneo, Professor an der FU Berlin, bezeichnet es als "Binsenweisheit ohne jegliches wissenschaftliche Fundament". Die ökonomische Realität ist komplexer: Wenn ein Unternehmen überlegt, eine Fabrik zu bauen, vergleicht es die zu erwartende Rendite mit dem Gewinn, den es durch eine Anlage an den Weltfinanzmärkten erzielt. Die Fabrik baut es nur, wenn deren Rendite höher ist. Die Senkung der Unternehmensteuer hat keinen eindeutigen Effekt auf diesen Renditevergleich. Im idealen Fall einer ökonomisch korrekten steuerlichen Erfassung des Gewinns wäre die Besteuerung des Unternehmens investitionsneutral, würde das Investitionsvolumen also überhaupt nicht beeinflussen.
Corneo sieht sich mit seinen Ansichten in der Fachwelt durchaus nicht isoliert. Bereits vor zehn Jahren hätten Ökonomen von der als marktliberal bekannten Universität von Chicago festgestellt: "Derzeit gibt es weder theoretische Argumente noch empirische Befunde zur Untermauerung der These, dass Besteuerung wichtige Wachstumseffekte erzeugt." Inzwischen haben Dutzende von Studien bestätigt, dass Steuersenkungen kein Patentrezept für eine hohe Wachstumsrate sind, schreibt der Berliner Forscher. "Es gibt keine statistische Korrelation zwischen Steuersatz und Wirtschaftswachstum, weder über die Zeit betrachtet in den Vereinigten Staaten, noch wenn man unterschiedliche Länder weltweit vergleicht", zitiert er den ehemaligen Wachstumsökonomen der Weltbank, William Easterly.
Eine Begründung für niedrigere Unternehmensteuern in Deutschland ist die Sorge, Produktionsstätten könnten ins Ausland abwandern. "Dabei wird übersehen, dass internationale Standortentscheidungen von einer Reihe länderspezifischer Faktoren - nicht nur von Steuern - beeinflusst werden", so Corneo. Als Beispiele nennt er die Lohnkosten und die Nähe zu den Konsumenten der Güter, die das Unternehmen herstellt. Steuern spielten eine untergeordnete Rolle bei der Entscheidung deutscher Unternehmen, im Ausland zu investieren, habe der Deutsche Industrie- und Handelskammertag ermittelt. Viel wichtiger seien Vertrieb und Kundendienst, gefolgt von Kostenersparnis und Markterschließung.
Viele Unternehmen verlagern deshalb auch gar nicht ihre Produktion ins steuergünstigere Ausland, sondern ihre Gewinne. Wie viele das sind, weiß niemand, denn deutsche Unternehmen sind nicht dazu verpflichtet, in ihren Geschäftsberichten ihre gezahlten Steuern danach aufzuschlüsseln, ob sie sie im In- oder Ausland bezahlt haben. Wenn Unternehmensgewinne in Länder mit geringer Besteuerung verlagert werden, kämpfen die Nationalregierungen untereinander nicht um reale Investitionsentscheidungen, sondern um die national belastbare Steuerbasis. Ein niedrigerer Steuersatz zieht Buchgewinne an, die der Staat besteuern kann. Ein höherer Steuersatz zieht Buchverluste an, die unter Umständen Steuererstattungen hervorrufen. "Die Verlagerung von Buchgewinnen ins Ausland ist für den deutschen Fiskus und seine Konzernprüfer eine gewaltige Herausforderung", so der Steuerexperte. "Als Begründung für eine weitere Senkung des Körperschaftsteuersatzes ist sie aber nicht überzeugend."
Im Kampf um die Gunst der multinationalen Konzerne wolle jedes Land "mit der schönsten Steuersenkung protzen können". Sobald eine Regierung einen kleinen Vorsprung erreicht hat, komme eine andere, die diesen wieder wettmacht. Nach ein paar Runden liegt die Relation ungefähr wie am Anfang, allerdings ist das Niveau der Steuersätze wesentlich gesunken. Kein Land habe sich substanziell verbessert. Doch fehle nun Geld in der Staatskasse. Dabei beziehen multinationale Unternehmen auch die Qualität der öffentlichen Infrastruktur - wie Verkehrsnetz und Energieversorgung -, die Verfügbarkeit ausgebildeter Fachkräfte sowie die Gewährung von Rechtsstaatlichkeit und sozialem Frieden in ihr Investitionskalkül ein. "Hierfür braucht man einen finanzstarken Staat", gibt der Ökonom zu bedenken.
Eine weitere Senkung der Unternehmensteuersätze komme den deutschen Staat teuer zu stehen. Ähnlich wie bei der Senkung der Körperschaftsteuer im Jahr 2001 würden sich die öffentlichen Einnahmen verringern. Das bedeute, "dass letztendlich eine Umverteilung zulasten eines Großteils der Bevölkerung und zugunsten von Kapitalbesitzern und Topmanagern stattfände".
Giacomo Corneo: New Deal für Deutschland. Der dritte Weg zum Wachstum, Campus Verlag, Frankfurt/Main 2006
Giacomo Corneo: Steuern die Steuern Unternehmensentscheidungen?,
in: Achim Truger (Hrsg.): Können wir uns Steuergerechtigkeit nicht mehr leisten?, Metropolis-Verlag, Marburg 2005
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