Quelle: HBS
Böckler ImpulsVerteilung: Nettolöhne bleiben niedrig
Die deutschen Arbeitnehmer verdienen nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen und bereinigt um die Inflation gerade einmal so viel wie vor 15 Jahren - pro Stunde.
1991, im ersten komplett gesamtdeutschen Jahr, waren es im Schnitt noch 11,17 Euro pro Stunde. Im vergangenen Jahr gab es durchschnittlich 11,68 Euro - lediglich 51 Cent mehr. "Wer vergleichen will, wie sich Löhne und Gehälter entwickeln, sollte sich die Beträge pro geleisteter Arbeitsstunde ansehen", erklärt IMK-Wissenschaftlerin Camille Logeay. Denn bei einer Betrachtung der Einkommen pro Kopf würden Veränderungen in der Beschäftigtenstruktur - wie mehr Teilzeitbeschäftigung oder Mini- und Ein-Euro-Jobs - die Zahlen verzerren.
Vergleiche mit westdeutschen Zahlen aus den 70ern oder 80ern ergeben ebenfalls ein schiefes Bild, "denn die ostdeutschen Löhne liegen immer noch unter denen Westdeutschlands", sagt die Ökonomin. Trotzdem sind die realen Nettostundenlöhne seit der Wiedervereinigung konstant geblieben. Die Steuer- und Sozialbeiträge haben diese Entwicklung nur zum Teil verursacht. Zwar ist ihr Anteil am Bruttolohn im Zuge der Wiedervereinigung von 31 auf zuletzt 36 Prozent gestiegen. Seit 1997 ist dieser Anteil allerdings wieder rückläufig. Damit ist der Staat für die stagnierenden realen Stundenlöhne nur zum Teil verantwortlich.
Hauptursache ist vielmehr der stetig sinkende Anteil der Löhne an der Wertschöpfung, die so genannte Lohnquote. Dies bestätigen auch Studien über die Einkommensverteilung. Sie belegen, dass der Anteil der Niedriglöhner wächst: unter den Vollzeitbeschäftigten von 15,9 Prozent 1997 auf 18,6 Prozent 2004, zeigen Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). In den vergangenen Jahren habe es eine massive Umverteilung von den Arbeitseinkommen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen und Unternehmertätigkeit gegeben, so Logeay. Die Gewinnquote am Volkseinkommen stieg in 15 Jahren um mehr als fünf Prozentpunkte.
Im europäischen Vergleich sind einzig die deutschen und österreichischen Lohnstückkosten seit zehn Jahren konstant geblieben. In den südeuropäischen Staaten (Spanien, Italien, Portugal, Griechenland) nahmen sie um über 30 Prozent zu, im Rest der Euroländer um mehr als 20 Prozent und in den neuen Mitgliedstaaten der EU sogar um über 60 Prozent. Diese Entwicklung findet ihren Niederschlag in den guten Exportzahlen der letzten Jahre, aber auch in der chronisch schwachen Binnennachfrage Deutschlands.
Dr. Camille Logeay ist Wissenschaftlerin am IMK mit dem Arbeitsschwerpunkt Arbeitsmarkt.