Quelle: HBS
Böckler ImpulsLöhne: Mindestlohn steigert die Produktivität
Die Einführung des Mindestlohns hat keine Jobs gekostet. Stattdessen hat sie die Volkswirtschaft produktiver gemacht.
Es gibt „keinen Hinweis darauf“, dass der Mindestlohn „die Beschäftigungsaussichten von Niedriglohnbeschäftigten verschlechtert hat“. Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie von Forschern des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie des Londoner University College. Die Wissenschaftler haben dazu detaillierte amtliche Daten der Arbeitsagentur und die sogenannte Beschäftigtenhistorik des IAB ausgewertet. Diese statistische Grundlage sei weit präziser und umfassender als viele andere Datensätze, auf die sich bisher erschienene Studien zu den Effekten des Mindestlohns stützen, betonen die Forscher. Die Daten erlauben es, Beschäftigungs- und Lohneffekte zu berechnen, die unabhängig von regionalen und individuellen Besonderheiten gelten, also nicht durch Faktoren verzerrt sind, die mit dem Mindestlohn nichts zu tun haben.
Der Vergleich von Beschäftigten, die vor 2015 weniger als den Mindestlohn bekamen, und solchen, die deutlich mehr verdienten, zeigt, dass die Löhne am unteren Ende durch den Mindestlohn signifikant gestiegen sind. Dennoch ist die Beschäftigung im Niedriglohnsektor nicht zurückgegangen. Auch nicht in Regionen, die besonders stark von der Einführung des Mindestlohns betroffen waren, weil dort viele Firmen nur geringe Löhne zahlen.
Allerdings haben keineswegs alle Niedriglöhner ab Januar 2015 einen höheren Lohn für ihren alten Job bekommen. Vielmehr gab es der Untersuchung zufolge viel Bewegung im Niedriglohnsektor. Viele Beschäftigte, die vormals mit weniger als 8,50 Euro über die Runden kommen mussten, haben ihre Stelle gewechselt und bei einem größeren, produktiveren und wirtschaftlich stabileren Arbeitgeber angefangen, der seine Beschäftigten insgesamt besser bezahlt. Etwa ein Viertel des gesamten durch den Mindestlohn induzierten Lohnanstiegs geht nach den Berechnungen der Forscher auf solche Effekte zurück.
Damit habe der Mindestlohn dazu beigetragen, die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität zu erhöhen, so die Studie. Die Beobachtungen stützten die Theorie, die dem sogenannten Schwedischen Modell zugrunde liegt: Flächendeckend ausgehandelte Löhne führen demnach dazu, dass die ineffizientesten Firmen vom Markt verschwinden, die Beschäftigten zu produktiveren Unternehmen wechseln und insgesamt die „Qualität der Unternehmen in der Volkswirtschaft“ steigt.
Tatsächlich ist die Zahl der Mini-Firmen mit weniger als drei Beschäftigten nach der Einführung des Mindestlohns zurückgegangen, während größere Firmen gewachsen sind. Dieser Effekt ist in stärker vom Mindestlohn betroffenen Regionen deutlicher ausgeprägt als in anderen. Es handele sich dabei nicht um eine allgemeine gesamtwirtschaftliche Entwicklung, sondern um eine klar abzugrenzende Folge des Mindestlohns.
Christian Dustmann, Attila Lindner, Uta Schönberg, Matthias Umkehrer, Philipp vom Berge: Reallocation Effects of the Minimum Wage (pdf), Diskussionspapier des Centre for Research and Analysis of Migration, Februar 2020