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Mindestlohn entfaltet breite Wirkung Böckler Impuls

Einkommen: Mindestlohn entfaltet breite Wirkung

Ausgabe 16/2024

Der Mindestlohn hat die Einkommen der Beschäftigten deutlich erhöht – vor allem in Ostdeutschland. Die regionalen Lohnunterschiede haben sich verringert.

Von der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns haben Menschen mit niedrigem Einkommen besonders profitiert, die Effekte reichen aber auch bis in die Mitte der Verteilung. In Ostdeutschland sind die Zuwächse am größten, wie eine Studie von Toralf Pusch vom WSI zeigt. „Der Mindestlohn hat wesentlich dazu beigetragen, Lohnungleichheiten in verschiedenen Regionen Deutschlands zu verringern“, erklärt Pusch, der auf der Basis der aktuellsten vorliegenden amtlichen Daten die Entwicklung bis 2018 untersuchen konnte. 

Der WSI-Forscher hat erstmals Mindestlohneffekte sowohl für das individuelle Einkommen als auch für das bedarfsgewichtete Brutto- und Haushaltsnettoeinkommen berechnet. Grundlage waren die Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe der Jahre 2008, 2013 und 2018. Diese enthält sehr detaillierte und im Vergleich zu anderen Erhebungen umfassende Daten zur Einkommenssituation von rund 42 000 Haushalten in Deutschland.

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Während die Lohnentwicklung im unteren Einkommensbereich zwischen 2008 und 2013 nahezu stagnierte, gab es nach der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 deutliche Zuwächse. Besonders eindrucksvoll zeigte sich dies in Ostdeutschland: Im Zeitraum von 2013 bis 2018 stiegen die individuellen Einkommen aus Löhnen der unteren 30 Prozent der Verteilung hier um durchschnittlich gut 21 Prozent, im Westen um rund 12 Prozent. 

Dass das Plus in Ostdeutschland höher ausfiel, liegt daran, dass dort mehr Menschen im Niedriglohnsektor arbeiten als in Westdeutschland. Und je niedriger die Einkommen, desto höher waren die Zuwächse: So stiegen beispielsweise die Lohneinkommen von ostdeutschen Beschäftigten mit einem Monatsverdienst von knapp 1300 Euro bis 2018 preisbereinigt um durchschnittlich gut 31 Prozent. Der klare Anstieg bei den Monatseinkommen entkräftet auch die Sorge mancher Mindestlohn-kritischer Fachleute, Arbeitgeber könnten nach Einführung der Lohnuntergrenze im Gegenzug die Stundenzahl von Beschäftigten im Mindestlohnbereich reduzieren. 

Auch die Einkommen der Menschen mit relativ hohen Einkommen stiegen, allerdings weniger stark: Zwischen 2013 und 2018 betrug der Anstieg bei den oberen 30 Prozent der Verteilung im Osten durchschnittlich rund 14 Prozent und im Westen 11 Prozent.

Steigerungen bis in die Mitte

Neben den Auswirkungen des Mindestlohns auf die individuellen Einkommen hat Pusch auch die Haushaltseinkommen untersucht, sowohl brutto als auch netto. Dazu zählen neben Löhnen auch Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Sozialleistungen, Kapitaleinkommen und bei Wohneigentümern Mieten. Einige dieser Kategorien dürften vom Mindestlohn kaum betroffen sein. Bei Haushalten, die Sozialleistungen wie das Bürgergeld beziehen, wäre es sogar möglich, dass zusätzliches Lohneinkommen auf die Sozialleistungen angerechnet wird. In diesem Fall hätten diese Haushalte unter dem Strich einen deutlich geringeren Einkommenszuwachs. Die Ergebnisse der Studie bestätigen dies jedoch nicht. Auch für Personen im ersten Dezil der Verteilung, also mit sehr niedrigen Einkommen, sind die Bruttohaushaltseinkommen nach Einführung des Mindestlohns gestiegen – in Ostdeutschland um rund 22 Prozent, in Westdeutschland um rund 11 Prozent. Deutliche mindestlohnbedingte Steigerungen der Bruttohaushaltseinkommen finden sich bis in die Mitte der Verteilung. Bei den Nettohaushaltseinkommen sind die prozentualen Zuwächse durch den Mindestlohn ähnlich.

„Die Wirkung des Mindestlohns ist aber natürlich kein Selbstläufer. Wenn es nur Mini-Erhöhungen gibt, wie in diesem Jahr und für das kommende Jahr vorgesehen, schwächt das den positiven Effekt“, sagt Bettina Kohlrausch, die wissenschaftliche Direktorin des WSI. Deutlich stärkere Anhebungen und eine Orientierung an den Referenzwerten der EU-Mindestlohnrichtlinie, die für einen angemessenen Mindestlohn unter anderem mindestens 60 Prozent des Medianlohns nennt, seien ebenso notwendig wie eine wirksame Stärkung der Tarifbindung, wie sie auch die EU fordert.
 

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