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HBS Böckler Impuls

Gesundheitspolitik: Milliarden fließen ab

Ausgabe 01/2007

Die privaten Krankenversicherungen vergüten Ärzte zwar häufig besser als die gesetzlichen Kassen. Dennoch: Das Nebeneinander von Gesetzlichen und Privaten entzieht dem Gesundheitswesen Geld.

In der gesetzlichen Krankenkasse bleiben, oder doch zu den Privaten wechseln? Die Wahlmöglichkeit der Gutverdienenden schwächt die Gesundheitsversorgung jährlich um mehrere Milliarden Euro. Zu diesem Ergebnis kommt eine Simulationsstudie des Ökonomen Johannes Leinert vom Wissenschaftlichen Institut der AOK. Weil sich ein Bezieher eines hohen Einkommens aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausklinken darf, sinken deren Einnahmen.

Arbeitnehmer, die sich privat versichern, verdienen im Schnitt jedes Jahr gut 17.000 Euro mehr als gesetzlich Versicherte, hat Leinert auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels berechnet. Unter Rentnern haben Privatpatienten im Schnitt um rund 8.000 Euro höhere Einkünfte, unter Selbstständigen fast ebenso viel.

Die Studie des Gesundheitsökonomen zeigt: Die insbesondere im ambulanten Bereich höheren Vergütungen der Privatkassen können die entgangenen Einnahmen nicht ausgleichen. Leinert hat den Status Quo mit einem hypothetischen integrierten Versicherungssystem verglichen. Als Beitragssatz für alle taxiert er 14,3 Prozent. Wer bislang gesetzlich versichert ist, würde dann im Schnitt 224 Euro im Monat zahlen, bisher privat Versicherte 359 Euro. Insgesamt käme so ein Beitragsaufkommen von 163,5 Milliarden Euro im Jahr zusammen, so die Kalkulation. In einem integrierten System stünden folglich - wenn man Verwaltungskosten abzieht - über 151 Milliarden Euro für Gesundheitsleistungen bereit. Das ist deutlich mehr als beide Kassenarten für die Patienten 2003 ausgegeben haben, Wahlleistungen in Krankenhäusern inbegriffen. Leinerts Resümee: "In einem Versicherungssystem mit Beteiligung aller Bürger an der solidarischen Finanzierung der Gesundheitsversorgung hätten daher im Jahr 2003 dem Gesundheitswesen nicht weniger, sondern einige Milliarden Euro mehr zur Verfügung gestanden."

Johannes Leinert: Einkommensselektion und ihre Folgen, in: Klaus Jacobs, Jürgen Klauber, Johannes Leinert: Fairer Wettbewerb oder Risikoselektion? Analysen zur gesetzlichen und privaten Krankenversicherung, Bonn, 2006

Pressemitteilung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK 

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