Quelle: HBS
Böckler ImpulsMindestlohn: Mehr Geld für sechs Millionen Beschäftigte
6,6 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren von der Mindestlohnerhöhung zum 1. Oktober, weil sie zuvor weniger als zwölf Euro pro Stunde bekamen.
6,64 Millionen: Das entspricht 17,8 Prozent aller Beschäftigten, die einen gesetzlichen Anspruch auf den Mindestlohn haben – also ohne Auszubildende sowie Schüler und Schülerinnen in Minijobs, die vom Mindestlohngesetz ausgenommen sind. In Ostdeutschland liegt die Quote derer, die vom auf zwölf Euro erhöhten Mindestlohn profitieren, noch deutlich höher, nämlich bei 29,1 Prozent. Im Westen inklusive Berlin sind es 16,1 Prozent.
Im bundesweiten Vergleich am höchsten ist der Anteil der Beschäftigten, die im Zuge der Mindestlohnerhöhung Anspruch auf eine Entgelterhöhung haben, in den Kreisen Sonneberg in Thüringen mit 44 Prozent, Teltow-Fläming in Brandenburg mit 43 Prozent, Saale-Orla in Thüringen mit 40 Prozent und Vorpommern-Rügen mit 39 Prozent. Am niedrigsten ist der Anteil der Beschäftigten, die aktuell noch unter zwölf Euro die Stunde verdienen, in Wolfsburg, Erlangen, dem Landkreis München und in Stuttgart. Hier können zwischen knapp 8 und gut 10 Prozent der Beschäftigten mit einer Lohnerhöhung rechnen. Das ergibt eine WSI-Studie, die detaillierte Daten für alle Bundesländer und die 400 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte liefert.
Die regionale Verteilung steht im Einklang mit dem Ergebnis einer WSI-Studie von 2021, die zeigte, dass die Anhebung des Mindestlohns vor allem die Entlohnung von Beschäftigten ohne Tarifvertrag verbessert. Unter den 6,64 Millionen Menschen mit Stundenlöhnen unter zwölf Euro sind knapp 2,55 Millionen Vollzeitbeschäftigte, 1,81 Millionen Teilzeitbeschäftigte und knapp 2,29 Millionen Personen, die als einzige Beschäftigung einen Minijob haben.
„Der Mindestlohn von zwölf Euro bringt vielen Beschäftigten eine spürbare Lohnsteigerung in einer Zeit, in der das wegen hoher Preise bei Energie und Lebensmitteln besonders wichtig ist. Und das ohne absehbare Auswirkungen auf die Beschäftigung, wie zum Beispiel eine aktuelle Befragung unter den Arbeitsagenturen ergibt“, sagt WSI-Arbeitsmarktexperte Eric Seils, der die Studie zusammen mit seinem Kollegen Toralf Pusch verfasst hat. „Die Mindestlohnerhöhung trägt regional breit gefächert zur Stabilisierung der Kaufkraft bei“, ergänzt Pusch. Damit setze sich ein Effekt fort, den das WSI in einer kürzlich veröffentlichten Studie im Auftrag der Mindestlohnkommission schon für die Jahre nach der Einführung der gesetzlichen Untergrenze nachgewiesen hat: Spürbare Einkommensverbesserungen, die insbesondere in ärmeren Regionen mit hoher Bedeutung des Mindestlohns wirken und den Konsum stärken.
In ihrer Untersuchung haben Pusch und Seils das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) und die neuesten verfügbaren Daten des Statistischen Bundesamts und der Bundesagentur für Arbeit verwendet und bis September 2022 fortgeschrieben. Damit können die WSI-Forscher eine Hochrechnung zur Zahl der Beschäftigten vorlegen, die aktuell für weniger als zwölf Euro arbeiten, und diese auf die Ebene der Bundesländer, kreisfreien Städte und Landkreise herunterbrechen.
Schaut man auf die Bundesländer, ist in Mecklenburg-Vorpommern der Anteil der Beschäftigten, die von zwölf Euro Mindestlohn profitieren, mit 31,2 Prozent am höchsten, gefolgt von Thüringen mit 30,8 Prozent. In absoluten Zahlen gilt das, wenig überraschend, für die bevölkerungsreichsten Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Bayern. Hier profitieren rund 1,3 Millionen beziehungsweise gut 930 000 Beschäftigte. Unter den deutschen Millionenstädten weist Berlin mit knapp 305 000 die höchste absolute Zahl der Betroffenen auf.
Die Analyse zeigt auch, dass sich die Betroffenheit von niedrigen Löhnen erheblich nach Typ der Beschäftigung und Arbeitszeit unterscheidet: Mit Abstand am größten ist der Anteil unter Minijobbenden ohne weiteres Arbeitsverhältnis: Knapp 80 Prozent von ihnen verdienten bis vor kurzem noch weniger als zwölf Euro die Stunde. Unter Teilzeitbeschäftigten sind es 20,1 Prozent und bei Vollzeitbeschäftigten 9,9 Prozent.
Mehr Informationen
Interaktive Karte und Daten zum Mindestlohn in allen Landkreisen und kreisfreien Städten gibt es hier.
Toralf Pusch, Eric Seils: 12 Euro Mindestlohn, Auswirkungen in den Kreisen, WSI Policy Brief 72, September 2022