Quelle: HBS
Böckler ImpulsWirtschaftskrise: Lohnpolitik gefährdet Währungsunion
Die Finanzmarktkrise bringt es an den Tag: Europa hat zwar seit zehn Jahren eine gemeinsame Währung. Doch der Lohn- und Finanzpolitik mangelte es bislang an Koordinierung.
Die Statik der Währungsunion knirscht. Viele südeuropäische Länder müssen für ihre Staatsanleihen die höchsten Zinsaufschläge seit Gründung der Währungsunion zahlen. Die Kreditwürdigkeit von Spanien, Portugal und Griechenland sinkt. Diese Länder haben sich in den vergangenen Jahren stark im Ausland verschuldet, weil sie im Vergleich zu ihren Nachbarn an Wettbewerbsfähigkeit verloren haben. Wegen der höheren Zinsen wächst ihre Schuldenlast nun zusätzlich - ein Teufelskreis.
Bereits im Jahr 2005 hatten Wissenschaftler des IMK vor den wachsenden Differenzen im Euroraum gewarnt, etwa bei der Lohnentwicklung. In keinem anderen Land der Eurozone war die Lohnzurückhaltung seit Beginn der Währungsunion so stark wie in Deutschland. Das nützt der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft - auf Kosten der anderen Länder, so das IMK. Mit der Zeit dämpft dies die Konjunktur in den Nachbarstaaten, die dann auch weniger deutsche Waren importieren.
Mit seinem Verhalten hat Deutschland "das Fundament der Währungsunion untergraben", kritisieren die Ökonomen Heiner Flassbeck, Chefvolkswirt bei der UNCTAD, und Friederike Spiecker. Denn in einer Währungsunion, in der es keine Wechselkurse mehr gibt, treten die nominalen Lohnstückkosten an deren Stelle. Wenn die deutschen Arbeitskosten schwächer wachsen als die der Euro-Partner, können die Deutschen billiger anbieten. Und die gemeinsame Währung schützt die deutsche Wirtschaft vor einer nominalen Aufwertung, die ihr die Wettbewerbsvorteile wieder nähme.
Höchste Zeit, die Lohnpolitik zu korrigieren: Als Richtschnur raten die Wissenschaftler zu einer Orientierung an der mittelfristigen Produktivitätsentwicklung unter Berücksichtigung einer Inflationsrate von knapp zwei Prozent. An dieser Produktivitätsregel haben sich in den vergangenen Jahren nicht alle Länder des Euroraums orientiert. Doch nur unter Einhaltung dieser Regel vom Beginn einer Währungsunion an kann diese auf Dauer funktionieren, so Flassbeck und Spiecker. Zusätzlich sollten die Staaten der Währungsunion ihren fiskalpolitischen Kurs miteinander abstimmen, um sich in der gegenwärtigen Krise nicht auch noch durch Standortwettbewerb gegenseitig das Wasser abzugraben.
Gustav A. Horn, Bernd Mülhaupt, Katja Rietzler: Quo vadis Euroraum? (pdf), IMK Report Nr. 1, August 2005
Heiner Flassbeck, Friederike Spiecker: Cracks in Euroland and No Way Out, in: Intereconomics, Review of European Economic Policy, Nr. 1/2009