Quelle: HBS
Böckler ImpulsVerteilung: Lohneinkommen weiter unter Druck
Der Anteil der Gewinne am Volkseinkommen dürfte 2009 brutto nicht weiter steigen. Das ist aber keine Korrektur der jahrelangen Ungleichverteilung, sondern nur ein statistischer Reflex auf die Krise.
Seit der Jahrtausendwende gab es beim Verhältnis von Lohneinkommen und Einkommen aus Gewinnen und Vermögen nur einen Trend: Die Lohnquote ging zurück, während die Anteile von Unternehmen und Kapitaleignern stiegen. Immerhin hat sich die Lohnquote in den Jahren 2007 und 2008, also in der Spätphase des Konjunkturaufschwungs, stabilisiert. Die Gründe sind ein exportgetriebener Beschäftigungszuwachs und kräftigere "nachholende" Tariferhöhungen, wie WSI-Leiter Claus Schäfer im neuen Verteilungsbericht schreibt.
Der anschließende wirtschaftliche Einbruch hat bisher vor allem die zuvor boomenden Vermögens- und Gewinneinkommen getroffen. Die Bruttogewinnquote sank in den ersten sechs Monaten des Jahres 2009 nach vorläufigen Berechnungen daher um knapp vier Prozentpunkte auf rund 32 Prozent. Entsprechend stieg die Bruttolohnquote auf 68 Prozent. Dies ist jedoch lediglich "ein rechnerischer Reflex", betont Verteilungsforscher Schäfer. Die Bruttolohnsumme stieg in der ersten Jahreshälfte nur minimal an. Trotz des geringen Zuwachses sei dies jedoch "ein wesentlicher Faktor dafür, dass die Konjunktur nicht noch weiter abgestürzt ist", sagt der WSI-Experte.
Netto, nach Abzug von Steuern und Abgaben, büßten auch die Arbeitnehmer an Kaufkraft ein, nämlich drei Milliarden Euro. Im Gegensatz dazu nahm für die Bezieher von Gewinn- und Vermögenseinkommen die Steuerlast deutlich ab. Darum haben sich die Nettoquoten längst nicht so stark verschoben wie die Bruttowerte.
Der Druck auf die Lohneinkommen werde noch zunehmen, prognostiziert Schäfer: "Die Einkommensverluste durch Kurzarbeit und Ähnliches, aufgeschobene oder angerechnete Tariferhöhungen, Verdrängung von Vollzeit durch Teilzeit und steigende Arbeitslosigkeit werden sich in fehlender Nachfrage niederschlagen." Die Steuerpolitik der Bundesregierung drohe die Verteilungsprobleme weiter zu verschärfen, warnt der WSI-Experte. Höhere Kinderfreibeträge und direkte Steuersenkungen entlasteten Haushalte mit höheren Einkommen überproportional - und stützten das Wachstum eben nicht.
Effektiver wären Schäfer zufolge ein gesetzlicher Mindestlohn, staatlich unterstützte Arbeitszeitverkürzungen sowie eine grundlegende Reform des heutigen Kinderlastenausgleichs hin zu einer einheitlichen Kindergrundsicherung. Der Staat müsse für letztere zwar rund 30 Milliarden Euro im Jahr aufwenden. "Aber anders als mit generellen Steuersenkungen setzt er damit einen dauerhaften Impuls für mehr Wachstum und Familienfreundlichkeit."
Claus Schäfer: Aus der Krise in die Krise? - WSI-Verteilungsbericht 2009 (pdf), in: WSI-Mitteilungen 12/2009.