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Lieferengpässe bremsen Wachstum Böckler Impuls

Industrie: Lieferengpässe bremsen Wachstum

Ausgabe 19/2022

Weil Vorprodukte fehlen, hat die deutsche Industrie Aufträge in Milliardenhöhe bislang nicht abarbeiten können. Verlässliche Lieferketten wären wichtiger als maximale Kostenersparnis.

Von Anfang 2021 bis Mitte 2022 konnte die Industrie Güter im Wert von knapp 64 Milliarden Euro nicht herstellen – bedingt durch Lieferengpässe. Das ergibt eine aktuelle IMK-Studie. Besonders stark betroffen ist die Automobil­industrie, deren Wertschöpfung in Deutschland wegen des Mangels an Vorprodukten um knapp 31 Milliarden Euro geringer ausfiel, obwohl zahlreiche Bestellungen vorliegen. In der Autobranche dürfte der Wertschöpfungsverlust den Wert der fehlenden Komponenten, häufig Halbleiter, um rund das Zehnfache übersteigen, so die Berechnungen der IMK-Experten Thomas Theobald und Peter Hohlfeld. 

Trotz der Engpässe haben insbesondere Autokonzerne zwar hohe Gewinne gemacht, weil sie sich auf die Produktion teurerer Fahrzeuge mit höherer Gewinnmarge konzentrierten und höhere Preise durchsetzen konnten. Gleichwohl hätte das deutsche Bruttoinlandsprodukt Ende 2021 um 1,2 Prozent und Mitte 2022 um 1,5 Prozent höher gelegen, wenn sämtliche Neuaufträge, die die Industrie in Deutschland ab Jahresbeginn 2021 erhalten hat, hätten abgearbeitet werden können. Die wirtschaftliche Erholung nach dem Ende der Corona-Restriktionen fiel somit weitaus schwächer aus, als es ohne Lieferengpässe möglich gewesen wäre. In ihrer Studie haben die Ökonomen die tatsächliche Bruttowertschöpfung, wie sie vom Statistischen Bundesamt erfasst wird, mit einem geschätzten kontrafaktischen Szenario ohne Engpässe bei Vorprodukten verglichen. Für das Positiv-Szenario bezogen sie unter anderem die Rekord-Höchststände beim Auftragsbestand ein und wie viele Unternehmen unterschiedlicher Branchen in regelmäßigen Umfragen angeben, dass Engpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten ihre Produktion behindern.

Offen ist den Forschern zufolge bislang noch, ob die Wertschöpfungsverluste dauerhaft oder vorübergehend sind. Aber selbst wenn nur ein Teil der Wertschöpfung endgültig verloren sein sollte, verdeutliche der Umfang der Ausfälle, dass die bisherige geschäftspolitische Ausrichtung der Industrie in weltwirtschaftlichen Stresssituationen alles andere als optimal sei, warnen Theobald und Hohlfeld. Die deutschen Unternehmen konzentrierten sich zu stark auf kurzfristige Kosteneffizienz. Bessere Resultate verspreche eine Strategie, die auf eine stärkere Resilienz, mehr Lagerreserven, Diversifikation und Nachhaltigkeit der Lieferketten setze. Eine solche Neuaufstellung sei umso wichtiger, als „die anhaltende Null-Covid-Strategie in China und neue geopolitische Spannungen im Zusammenhang mit den Konflikten in der Ukraine und mit Taiwan als international bedeutendem Halbleiterstandort neue Lieferengpässe nach sich ziehen können“.

Thomas Theobald, Peter Hohlfeld: Materialengpässe setzen deutscher Automobilproduktion massiv zu, IMK Policy Brief Nr. 141, November 2022

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