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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Lesben und Schwule im Abseits

Ausgabe 12/2016

Angehörige sexueller Minderheiten haben es oft schwer im Beruf. Programme gegen Diskriminierung sind Mangelware in der EU – besonders dort, wo sie dringend nötig wären.

Die Gleichbehandlungs-Richtlinie der EU aus dem Jahr 2000 verbietet ausdrücklich Benachteiligungen im Job wegen der sexuellen Orientierung. Wie es um die Umsetzung dieser Richtlinie steht, haben Forscher der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound) dokumentiert. Laut ihrer Analyse sind Diskriminierung und Mobbing gegen Mitglieder der LGBT-Gemeinschaft – also Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender – in Europa weit verbreitet. Politik und Sozialpartner sehen sie in der Pflicht, entschiedener gegen solche Missstände vorzugehen.

Die Experten zitieren Ergebnisse des Eurobarometers aus dem Jahr 2015 zu Einstellungen gegenüber LGBT-Kollegen. Demnach äußern sich Beschäftigte insbesondere in den nord- und westeuropäischen Mitgliedsländern zwar überwiegend wohlwollend. In Teilen Osteuropas scheinen Vorurteile aber mehrheitsfähig zu sein: Weniger als die Hälfte der Befragten in Rumänien, Bulgarien, Litauen und der Slowakei hätte kein Problem mit homo- oder bisexuellen Kollegen. Bei Transgendern fällt die Ablehnung noch stärker aus.

Ein ähnliches Muster offenbart eine Umfrage der EU-Agentur für Grundrechte unter Angehörigen sexueller Minderheiten aus dem Jahr 2012. Europaweit gab fast ein Fünftel der Befragten an, in den vergangenen zwölf Monaten bei der Arbeit diskriminiert worden zu sein. Am geringsten war der Anteil mit elf Prozent in Dänemark. In Zypern, Lettland und Litauen war dagegen mehr als ein Viertel betroffen. Vor allem in vielen neuen Mitgliedsländern sei Homophobie offenbar ein gravierendes Problem, schreiben die Autoren. Auch wirtschaftlich sei das fatal: Einer irischen Studie zufolge hat Mobbing bei einem Zehntel der LGBT-Arbeitnehmer Fehltage verursacht.

Fast ein Drittel verstellt sich im Job

Das beobachtbare Ausmaß der Diskriminierung ist nach Einschätzung der Eurofound-Wissenschaftler auch insofern besorgniserregend, als fast ein Drittel der LGBT-Beschäftigten in der EU die sexuelle Identität gegenüber den Kollegen verbirgt. Auch hier gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten: Gegen ein Coming-out am Arbeitsplatz entscheiden sich in den Niederlanden und Dänemark zwölf Prozent, in Rumänien und Litauen 58 Prozent. Dabei haben Studien gezeigt, dass Geheimhaltung sich negativ auf die Arbeitszufriedenheit und das Engagement der Beschäftigten auswirkt, so die Autoren.

Obwohl die Gleichbehandlungs-Richtlinie in allen EU-Ländern gilt, sei Gleichheit noch längst nicht erreicht, schreiben die Forscher. Auch in rechtlicher Hinsicht gebe es nach wie vor Defizite. Ohne Homo-Ehe etwa blieben gleichgeschlechtlichen Paaren in manchen Ländern Vorteile wie Freistellungen zur Pflege kranker Partner vorenthalten. Ansonsten seien Regierungen und Sozialpartner teilweise zwar bemüht, in Form von Beratung, Kampagnen, Konferenzen oder Workshops gegen die anhaltende Diskriminierung vorzugehen. In Deutschland nehme der DGB am Christopher Street Day teil, zudem gebe es gewerkschaftliche Initiativen auf Branchenebene wie beispielsweise den Bundesarbeitskreis „Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle“ bei ver.di oder die „IGay BAU“. Spezifische Arbeitsmarktprogramme seien aber eher selten. In Bulgarien, Rumänien, Zypern, Ungarn und den baltischen Staaten seien NGOs die einzigen Akteure, die sich überhaupt für die Interessen der LGBT-Gemeinschaft einsetzen. Die Ressentiments in diesen Ländern führten offenbar dazu, dass die Politik nichts unternimmt. Die Folge: Maßnahmen gegen Diskriminierung fehlen ausgerechnet da, wo sie am meisten gebraucht würden.

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