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HBS Böckler Impuls

Arbeitszeit: Länger gearbeitet, weniger geschafft

Ausgabe 07/2016

Zu lange Arbeitstage schaden nicht nur der Gesundheit, sondern auch der Produktivität.

Wer lange an der Werkbank steht oder im Büro sitzt, schafft auch viel. Diese Einstellung ist weit verbreitet. Dennoch ist fraglich, ob Beschäftigte, die sehr viele Arbeitsstunden leisten, wirklich mehr produzieren. Schließlich nimmt mit zunehmender Erschöpfung das Arbeitstempo ab, die Fehler häufen sich und letztlich fordert die Gesundheit ihren Tribut: Die Zahl der Krankheitstage steigt. Allerdings ist es schwierig, solche Effekte in der Realität nachzuweisen. Die Untersuchungsgruppe müsste nämlich zwei Eigenschaften aufweisen. Erstens sollte es sich um Beschäftigte handeln, deren Arbeitszeiten in einer großen Bandbreite schwanken. Zweitens muss sich der Output je Arbeitnehmer relativ präzise bestimmen lassen.

Auf einen alten, aber gut geeigneten Datensatz ist der Wirtschaftsprofessor John Pencavel von der amerikanischen Universität Stanford gestoßen. Er hat Aufzeichnungen aus britischen Munitionsfabriken im Ersten Weltkrieg neu ausgewertet. Je nach militärischem Bedarf unterlagen die Arbeitszeiten seinerzeit extremen Schwankungen. In Spitzenzeiten stiegen sie auf 60, in Einzelfällen auf 100 Wochenstunden. Phasenweise bekamen die Beschäftigten – mehrheitlich Frauen – nicht einmal sonntags frei. Weil in der Regel Akkordlohn gezahlt wurde, liegen auch präzise Angaben über den Output vor.

Es zeigt sich: Übersteigt die Wochenarbeitszeit bestimmte Werte, nimmt die Produktionsmenge kaum noch oder gar nicht mehr zu. Beispielsweise stellte eine Gruppe von 100 Arbeiterinnen, die Sicherungen montieren mussten, in Wochen mit 60 oder 70 Arbeitsstunden nicht mehr her als in Wochen mit 48 Stunden. Die Sonntagsarbeit war nicht nur überflüssig, sondern am Ende sogar kontraproduktiv. In Wochen ohne freien Tag lag die Produktivität etwa zehn Prozent niedriger als sonst.

Die Grenzwerte, ab denen zusätzliche Arbeit den wirtschaftlichen Ertrag nicht mehr erhöht, dürften von Job zu Job variieren, so Pencavel. Dies sei jedoch kein Grund, das Thema zu ignorieren, wie es heute in der Ökonomie häufig geschehe. Gesetzliche oder tarifliche Arbeitszeitgrenzen sollten nicht als hinderliche Beschränkungen unternehmerischer Gestaltungsspielräume verstanden werden, sondern als „aufgeklärter“ Mechanismus zur Steigerung von Effizienz und Wohlstand.

John Pencavel: The Productivity of Working Hours (pdf), in: The Economic Journal, Dezember 2015

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