Quelle: HBS
Böckler ImpulsStaatsfinanzen: Länder: Mit Steuersenkungen ins Minus
Die finanziellen Defizite von Ländern und Gemeinden sind zu einem großen Teil Folgen von Steuersenkungen, zeigt das IMK am Beispiel von Rheinland-Pfalz.
In den vergangenen 15 Jahren sind die Steuern unter dem Strich deutlich gesunken. Bund, Länder und Gemeinden würden 2013 rund 45 Milliarden Euro mehr einnehmen, wären noch die Steuergesetze von 1998 gültig. Gut zwei Drittel dieser Einnahmeausfälle entfallen auf die Bundesländer und die Kommunen, hat das IMK errechnet. Deren finanzieller Spielraum, beispielsweise für Investitionen in Infrastruktur und Bildung, wird durch die strengen Vorschriften der Schuldenbremse zusätzlich stark eingeschränkt. Die IMK-Steuerexpertin Katja Rietzler hat untersucht, wie sich die Steuersenkungen auf die öffentlichen Finanzen in Rheinland-Pfalz auswirken – und welche Einnahme-Effekte Steuererhöhungen auf hohe Einkommen und große Vermögen hätten.
Moderate Ausgabenentwicklung, Einbußen bei Einnahmen. Die öffentlichen Ausgaben sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten nur moderat gestiegen. Trotzdem bleiben die öffentlichen Haushalte strukturell im Minus – so charakterisiert das Gutachten im Auftrag des DGB Rheinland-Pfalz die Situation zwischen Koblenz und Ludwigshafen. Zwischen 1992 und 2010 nahmen die Ausgaben des Landes und der Kommunen nominal pro Jahr um durchschnittlich zwei Prozent zu. Damit stiegen sie nicht schneller als das regionale Bruttoinlandsprodukt (BIP). „Bei diesen Zahlen deutet nichts auf ein übertriebenes Ausgabenwachstum hin“, sagt Wirtschaftsforscherin Rietzler.
Dass die öffentlichen Haushalte im Land gleichwohl selbst in Jahren mit guter Wirtschaftsentwicklung nicht ausgeglichen waren, führt die Wissenschaftlerin daher primär auf ein Einnahmeproblem zurück. Es beruht einerseits auf einem relativen Rückstand der regionalen Wirtschaft: Trotz erheblicher Fortschritte in den vergangenen zwei Jahrzehnten bleibt in dem ländlich geprägten Bundesland das BIP pro Einwohner unter dem Bundesdurchschnitt. Auch die Steuereinnahmen und die Finanzkraft der öffentlichen Hand liegen unter dem bundesweiten Mittel – trotz Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich.
Als zweite Ursache für das Minus in den öffentlichen Kassen identifiziert die Forscherin die strukturellen Mindereinnahmen infolge von Steuersenkungen. Das lässt sich daran ablesen, dass die Steuereinnahmen hinter dem Wachstum des regionalen BIPs zurückgeblieben sind. Würden die Steuergesetze von 1998 noch gelten, würde das Land Rheinland-Pfalz allein in diesem Jahr 862 Millionen Euro mehr einnehmen. Das entspricht ungefähr dem strukturellen Defizit von rund 819 Millionen Euro im Landeshaushalt 2012. Die Kommunen müssen aufgrund der Steuerrechtsänderungen auf weitere 518 Millionen Euro verzichten. Insgesamt nimmt die öffentliche Hand in Rheinland-Pfalz 2013 also knapp 1,4 Milliarden Euro weniger ein.
Unter diesen Umständen ist die IMK-Expertin skeptisch, dass das Land auf Dauer den durch die Schuldenbremse vorgegebenen Konsolidierungspfad einhalten kann. So wüchsen die Steuereinnahmen derzeit deutlich schwächer als im Jahr 2012, in dem Rheinland-Pfalz dank sehr guter Einnahmeentwicklung und niedriger Zinsen das Etappenziel der Schuldenbremse erheblich unterschreiten konnte. „Wenn die Rahmenbedingungen nicht optimal sind, muss sich die Politik sehr schnell mit zusätzlichen Einsparungen auseinandersetzen“, sagt Rietzler. „Das kann auf Kosten der Investitionen gehen – obwohl dort erheblicher Nachholbedarf besteht und Defizite bei Infrastruktur oder Bildungseinrichtungen die Wirtschaft nachhaltig schädigen.“
Steuererhöhungen für Wohlhabende reduzieren Defizit. Als bessere Alternative empfiehlt die Ökonomin Steuererhöhungen. Diese sollten gezielt höhere Einkommen und große Vermögen belasten. Auf diese Weise gewinne der Staat nicht nur finanziellen Spielraum zurück, ohne die Wirtschaftsentwicklung merklich zu belasten. Zusätzlich lasse sich die Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen etwas korrigieren, die in den beiden vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen hat.
Rietzler hat die Auswirkungen von drei Modellen zur Steuerreform für das Land Rheinland-Pfalz berechnet:
- Anhebung des Spitzensteuersatzes nach den verschiedenen Vorschlägen der Bundestags-Oppositionsparteien: Betroffen sind höhere Bruttoeinkommen von jährlich mehr als 66.500 Euro bei Alleinstehenden (Vorschlag der Grünen) beziehungsweise 74.500 Euro (SPD) oder 77.600 Euro (die Linke).
- Wiedererhebung einer Vermögensteuer nach einem am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) entwickelten Konzept: Belastet werden Vermögen von mehr als zwei Millionen Euro (vier Millionen bei gemeinsam veranlagten Ehepartnern). Der Steuersatz liegt bei einem Prozent.
- Erhöhung der Erbschaftsteuer mit dem Ziel, den bislang relativ geringen Ertrag dieser Steuerart (4,3 Milliarden Euro 2012) zu verdoppeln.
Am Beispiel von Rheinland-Pfalz zeigen Rietzlers Berechnungen, dass vor allem eine Vermögensteuer die Einnahmesituation in den Ländern deutlich verbessern würde: Das Land könnte mit jährlichen Mehreinnahmen von 511 Millionen Euro rechnen, die Gemeinden mit 66 Millionen Euro.
Die Anhebung des Spitzensteuersatzes nach den Vorschlägen von Grünen oder SPD würde Land und Kommunen zusammen weitere 112 bis 119 Millionen Euro einbringen. Dagegen würde der Vorschlag der Linken zu Einnahmeausfällen führen, weil zugleich der Grundfreibetrag erheblich angehoben würde.
Eine Verdoppelung der Einnahmen aus der Erbschaftsteuer brächte Land und Kommunen Mehreinnahmen von 197 Millionen Euro.
„Unter dem Strich könnten das Land Rheinland-Pfalz und seine Kommunen durch eine Kombination der Steuererhöhungen Mehreinnahmen von 893 Millionen Euro erzielen. Damit ließe sich das strukturelle Defizit im Landeshaushalt weitgehend schließen“, erklärt Expertin Rietzler. Trotz der Erhöhungen bliebe die Steuerbelastung für die Bürger aber noch deutlich unter dem Tarif, der 1998 galt.
Katja Rietzler: Öffentliche Einnahmen des Landes Rheinland-Pfalz – Entwicklung, Stuktur und Optionen für eine Aufkommenserhöhung (pdf), Kurzstudie im Auftrag des DGB Rheinland-Pfalz, IMK Policy Brief, August 2013