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HBS Böckler Impuls

Europa: Kurzarbeit und Flächentarif retten Jobs in der Krise

Ausgabe 14/2010

Im Verlauf der jüngsten Wirtschaftskrise haben viele Staaten Europas versucht, die Beschäftigung zu stabilisieren. Am besten funktionierte dies in Ländern, in denen der Staat Arbeitsausfälle finanziell abfederte und Tarifverhandlungen überbetrieblich abliefen.

Die weltweite Finanzkrise hat auf ganz Europa durchgeschlagen. Nahezu überall brachen Wachstum und Beschäftigung ein - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß: Spaniens Wirtschaft schrumpfte innerhalb eines Jahres um etwa vier Prozentpunkte, die Beschäftigung sank jedoch um fünf Prozentpunkte. Deutschland, den Niederlanden und Luxemburg gelang es hingegen, trotz eines stärkeren wirtschaftlichen Einbruchs die Beschäftigung stabil zu halten.

Vera Glassner, Soziologin am Europäischen Gewerkschaftsinstitut in Brüssel, hat alle Instrumente zusammengestellt und analysiert, mit denen Regierungen und Tarifpartner in den EU-Ländern auf die Krise reagiert haben. Ihr Fazit: Die Voraussetzungen im Kampf gegen den wirtschaftlichen Einbruch waren in Ländern mit Regelungen zu Kurzarbeit oder vergleichbaren Lösungen am günstigsten. Ebenso wichtig für den Erfolg war, dass Tarifverhandlungen zentralisiert abliefen.

Der Staat setzt den Rahmen. Einige Staaten verfügten bereits vor der Krise über gesetzliche Bestimmungen zur vorübergehenden Arbeitszeitverkürzung: In Deutschland und Österreich existierte die Kurzarbeit, in Belgien und Frankreich die ähnlich funktionierende temporäre oder Teilarbeitslosigkeit, in Italien der Lohngarantiefonds. Als Reaktion auf den abzusehenden wirtschaftlichen Einbruch erleichterten die Regierungen den Zugang zu solchen Regelungen und dehnten ihre Dauer aus. Die Niederlande führten das Instrument der Arbeitszeitverkürzung wieder ein. Mit drei Monaten ist die Möglichkeit zur Kurzarbeit in Bulgarien und Rumänien sehr begrenzt, besonders lang ist sie in Deutschland und Italien. Hier konnten Betriebe ihre Beschäftigten für bis zu zwei Jahre in Kurzarbeit schicken. Seit Anfang 2010 sind hierzulande immerhin noch 18 Monate Kurzarbeit möglich.

Vereinbarungen der Tarifpartner. In einigen Ländern einigten sich die Sozialpartner auf die vorübergehende Aussetzung von Gehaltserhöhungen in Unternehmen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten - beispielsweise in der Metallbranche in Deutschland, in den Hightech-Branchen Finnlands sowie für Ingenieure oder Architekten in Schweden. Tarifverträge zur Umsetzung von Kurzarbeit in den Betrieben bieten unter anderem Anreize für Weiterbildungsangebote. Dies gilt in der Hauptsache ebenfalls im deutschen Metallsektor, aber auch in Italien aufgrund einer Vereinbarung von Arbeitgebern, Gewerkschaften und der Regierung. Die niederländischen Tarifparteien verabredeten vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise Regelungen zur Arbeitszeitflexibilisierung und zum Vorruhestand.

Reaktionen in den Betrieben. Die schwedischen Fahrzeugbauer Volvo und Scania nutzten einen branchenübergreifenden Tarifvertrag, um Jobs zu sichern. Auch einige dänische Unternehmen griffen für den Erhalt von Beschäftigung auf eine Tarifvereinbarung über die Teilung von Arbeitsplätzen zurück. Fiat, Telecom Italia und andere italienische Firmen setzten Arbeitnehmer auf weniger von der Krise betroffene Jobs innerhalb des Unternehmens um.

Das unterschiedliche Ausmaß an Jobverlusten habe gezeigt, "dass die Krisen abfedernde Rolle des Staates von großer Bedeutung sein kann", fasst Glassner ihre Studie zusammen. Im Verhältnis zum Rückgang der Produktion stieg die Arbeitslosigkeit vor allem in jenen Ländern überproportional stark an, in denen staatliche Instrumente wie Kurzarbeit oder Teilarbeitslosigkeit fehlen - zum Beispiel in den baltischen Ländern, Spanien oder Irland.

Auch die Systeme der Arbeitsbeziehungen hatten einen entscheidenden Einfluss, so die Forscherin: In jenen Ländern, in denen Verhandlungen eher zentralisiert auf nationaler oder sektoraler Ebene koordiniert werden, konnten die Sozialpartner besser auf die Krise reagieren. In den meisten mittel- und osteuropäischen Ländern und Großbritannien hingegen ließen sich nur schwer Lösungen auf dem Verhandlungswege erreichen. Denn hier finden Tarifverhandlungen vorrangig in den einzelnen Betrieben statt.  

  • Aufgrund der weltweiten Finanzkrise brachen in fast ganz Europa Wachstum und Beschäftigung ein – allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Zur Grafik

Vera Glassner: Tarifparteien und Regierungen in Europa: Mit Tarifverträgen gegen den Abschwung?, in: WSI-Mitteilungen 9/2010.

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