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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Kurzarbeit als Beschäftigungsbrücke

Ausgabe 02/2009

Kurzarbeit ist der richtige Puffer in Zeiten der Krise - nicht nur um Entlassungen zu verhindern, sondern auch um versäumte Qualifizierung nachzuholen.

Kurzarbeit ist in Zeiten wegbrechender Nachfrage ein probates Mittel gegen Entlassungen. Bisherige Erfahrungen mit diesem Instrument untermauern diese Einschätzung, erklärt Hartmut Seifert. Der Arbeitsmarktexperte und ehemalige Leiter des WSI hat den massiven Einsatz von Kurzarbeit in Ostdeutschland nach der Wende untersucht. Anfang der 1990er-Jahre fing Kurzarbeit im Osten gut zwei Millionen Arbeitnehmer oder jeden vierten Beschäftigten auf. Die Bilanz fiel gemischt aus: Viele konnten Zeit gewinnen, um neue berufliche Qualifikationen zu erwerben und sich einen neuen Job zu suchen. Oft aber zögerte Kurzarbeit den Arbeitsplatzverlust nur hinaus. Heute kann das Instrument mehr leisten, analysiert der Forscher. Derzeit sind die Unternehmen wettbewerbsstark und produktiv - voreilige Entlassungen in der Konjunkturkrise würden ihrer Substanz schaden. Zudem ist Kurzarbeit nicht der einzige Puffer. Auch Arbeitszeitkonten und betriebliche Arbeitszeitverkürzungen stützen die Beschäftigung.

Wenn die Krise lange dauert: Arbeitszeitverkürzung plus Kombilohn. Selbst wenn die konjunkturelle Erholung auf sich warten lässt, können kürzere Arbeitszeiten sinnvoll sein. Seifert stützt sich auf Erfahrungen bei Volkswagen. VW-Beschäftigte verringerten ab 1994 für einige Jahre die Arbeitszeit um 20 Prozent, das Einkommen um 15 Prozent. Die finanziellen Abstriche wurden als weniger gravierend angesehen als der drohende Arbeitsplatzverlust. Auch das Unternehmen profitierte: Eingespielte Arbeitsteams blieben zusammen, kurze Arbeitszeiten sorgten für hohe Produktivität. Durch Massenentlassungen verursachte Kosten und innerbetriebliche Turbulenzen wurden vermieden. Allerdings gab es bei VW Besonderheiten, so Seifert. Vor allem ein vergleichsweise hohes Lohnniveau, das den Verzicht auf Einkommen akzeptabler machte als in schlechter bezahlten Branchen. Würden andauernde Arbeitszeitreduzierungen über einen längeren Zeitraum in größeren Teilen der deutschen Wirtschaft eingeführt, dann sollte der Staat helfen. Beispielsweise könnte ein öffentlich geförderter Kombilohn für untere Einkommen zu höherer Akzeptanz und mehr Sozialverträglichkeit führen. Niedriglöhner wären auch bei kürzerer Arbeitszeit nicht auf Arbeitslosengeld II angewiesen.

Zweite Chance für die Weiterbildung. Kurzarbeit bietet zudem die Chance, lange vernachlässigte Qualifizierungen nachzuholen. "Bedarf dürfte reichlich bestehen, denn in den letzten Jahren galt berufliche Weiterbildung als Sorgenkind", so Seifert. Zwischen 1997 und 2003 waren die Aktivitäten spürbar erlahmt, danach pendelten sie sich auf niedrigem Niveau ein. Allerdings könnte es zum Problem werden, dass seit den Hartz-Gesetzen öffentlich geförderte Weiterbildung drastisch beschnitten wurde. Viele Träger haben ihr Angebot und Personal reduziert. Seifert rät zu unkonventionellen Lösungen: Großbetriebe mit eigenen Weiterbildungseinrichtungen und freien Kapazitäten, aber auch alle übrigen nicht ausgelasteten Einrichtungen könnten Kurse für Beschäftigte in kleineren und mittleren Unternehmen anbieten. Arbeitsagenturen, Kammern und andere Einrichtungen sollten gezielte Information und Beratung für Betriebe anbieten.

  • Bis Mitte des Jahres 2008 spielte Kurzarbeit keine Rolle – dann schnellte sie auf die doppelte Höhe der vorherigen Krise. Zur Grafik

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