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HBS Böckler Impuls

Gesundheitsversorgung: Krankheit ist auch eine soziale Frage

Ausgabe 13/2009

Wer wann zu welchem Doktor geht, hängt nicht nur vom Gesundheitszustand ab. Patienten aus unteren sozialen Schichten bekommen seltener einen Facharzt zu sehen.

In Deutschland haben Mediziner besonders gut zu tun: Die Zahl der Besuche beim niedergelassenen Arzt ist "ungewöhnlich hoch, teilweise um den Faktor fünf höher als in vergleichbaren Ländern", halten Forscher des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE) an der Uniklinik Köln in einer neuen Studie fest. In der von der Hans-Böckler-Stiftung sowie der Jackstädt-Stiftung geförderten Untersuchung erforschten die Wissenschaftler zusammen mit TNS Healthcare erstmals auf repräsentativer Datenbasis den Gesundheitszustand und die Nutzung medizinischer Leistungen im Verhältnis zur sozialen Stellung. In die Studie flossen Befragungsdaten von mehr als 60.000 Menschen ein.

Die Ärmeren sind kränker. Angehörige benachteiligter sozialer Schichten - definiert über niedriges Einkommen und Bildungsabschluss sowie einfachen Beschäftigungsstatus - sind deutlich häufiger ernsthaft krank als besser Gestellte. ­Diabetes tritt in der unteren sozialen Gruppe etwa anderthalbmal so oft auf wie in der oberen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen 1,2-mal häufiger. Ein wesentlicher Grund dafür: Unter den Ärmeren finden sich überdurchschnittlich viele ältere Menschen. Zudem gibt es unter den Ärmeren mehr starke Raucher. Vorsorgeangebote nutzen Ärmere deutlich seltener als Reichere.

Haus- oder Facharzt? Die höhere Krankheitsbelastung erklärt, warum ärmere Menschen häufiger zum Arzt gehen: Im Durchschnitt rund acht Mal im Jahr gegenüber sechs Konsultationen in der oberen sozialen Schicht. Berücksichtigt man jedoch die Unterschiede in Altersstruktur und Krankheitslast, nähern sich beide Gruppen an. Es zeigt sich aber ein spezifischer Unterschied: Ärmere gehen etwas häufiger zum Hausarzt, dafür sprechen die Angehörigen der oberen Schicht ein wenig öfter beim Facharzt vor. Ins Krankenhaus müssen wiederum die Ärmeren etwas häufiger.

Das gleiche Muster zeigt sich beim Vergleich von gesetzlich und privat Versicherten. "Offenbar richtet sich die Inanspruchnahme von Fachärzten nicht nur nach der Erkrankung, sondern auch nach dem sozialen Status des Versicherten", stellen die Forscher fest. Aufgrund ihrer Ergebnisse halten es die Gesundheitsökonomen des IGKE für sinnvoll, Angebote zur Vorsorge und zur Gesundheitsprävention gezielter auf Menschen aus unteren sozialen Schichten zuzuschneiden.

  • Wer wie oft zu welchem Arzt geht, ist nicht nur eine Frage des Gesundheitszustandes, sondern auch der sozialen Stellung: Ärmere Menschen gehen etwas häufiger zum Hausarzt, reichere konsultieren öfter einen Facharzt. Zur Grafik

M. Lüngen, M. Siegel, A. Drabik, G. Büscher, I. von Törne: Ausmaß und Gründe für Ungleichheiten der gesundheitlichen Versorgung in Deutschland. Projekt finanziert von der Hans-Böckler-Stiftung und der Dr. Werner Jackstädt-Stiftung, Juni 2009

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