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HBS Böckler Impuls

Standort: Kostenvorteile im Ausland überschätzt

Ausgabe 02/2007

Viele Automobilzulieferer eröffnen Produktionsstätten in Niedriglohnländern. Das spart nicht immer Kosten. Und führt im Durchschnitt auch nicht zu höheren Renditen als bei Zulieferern, die in Deutschland fertigen.

Die Koffer zu packen lohnt sich für viele Unternehmen nicht. Oft unterschätzen Manager die Produktionskosten an Niedriglohnstandorten - und die Vorzüge des Standorts Deutschland. Steffen Kinkel und Christoph Zanker, Wissenschaftler am Frauenhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), haben am Beispiel der Autozulieferbranche untersucht, wie unterschiedliche Standort-Strategien wirtschaftlich abschneiden. Ein Ergebnis: Unternehmen, die Produktionsstätten ausschließlich aus Kostengründen verlagern, sind keineswegs erfolgreicher als andere.

Die Forscher haben wirtschaftliche Eckdaten von 192 Automobilzulieferern ausgewertet und ausgewählte Fallbeispiele im Detail untersucht. Sie unterscheiden zwischen drei Betriebstypen

  • Typ 1: Home based Player. Diese Betriebe produzieren ausschließlich oder bevorzugt in Deutschland.
  • Typ 2: Kostenorientierte Auslandsproduzenten. Sie investieren verstärkt in Niedriglohnländern, um ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.
  • Typ 3: Markt- und kundenorientierte Auslandsproduzenten. Sie bauen Werke im Ausland, um neue Märkte zu erschließen oder näher an ihre Kunden heranzurücken.

Ein Vergleich ökonomischer Kennzahlen zeigt: Home based Player investieren mehr in Deutschland und schaffen hierzulande im Gegensatz zu kostenorientierten Auslandsproduzenten neue Jobs. Dabei haben sie kaum höhere Personalkosten im Inland - trotz größerer Fertigungstiefe. Ein weiterer Befund: Die unterschiedlichen Kostenstrukturen deuten darauf hin, dass kostenorientierte Auslandsproduzenten (Typ 2) mehr Geld für die Koordination ihrer Auslandsaktivitäten ausgeben müssen als Betriebe, die aus Markt- oder Kundengründen im Ausland fertigen (Typ 3). Bei der Rendite liegen Home based Player knapp vorn.

Die Wissenschaftler folgern: Betriebe, die auf den Produktionsstandort Deutschland setzen, seien "zumindest nicht schwächer als die beiden anderen Typen aufgestellt". Und: Gerade kostenorientierte Auslandsproduzenten, die mit ihrer Verlagerungsstrategie auf die kurzfristige Verbesserung finanzwirtschaftlicher Indikatoren zielen, seien im Mittel "sicherlich nicht überdurchschnittlich erfolgreich".

Fallstudien zeigen, welche Faktoren die Lohnkostenvorteile vermeintlicher Billig-Standorte zunichte machen können

  • Anlaufzeiten werden häufig unterschätzt. Bis die Fertigung in punkto Qualität und Produktivität läuft wie geplant, dauert es oft doppelt so lange wie ursprünglich vorgesehen.
  • Betreuung und Koordination ausländischer Produktionsstandorte werden oft teurer als gedacht. In der Anfangsphase können die Ausgaben bis zu 10 Prozent der Gesamtkosten ausmachen.
  • Schulungskosten werden nicht genügend berücksichtigt. Die Qualifizierung der Arbeits- und Führungskräfte am Auslandsstandort schlug in den untersuchten Fällen mit bis zu 9,5 Prozent der Gesamtkosten zu Buche.
  • Material- und Energiekosten sind nach Angaben der befragten Automobilzulieferer im Ausland oft höher als in Deutschland.
  • Erzielbare Produktivitätsfortschritte im Stammwerk bleiben bei Standortvergleichen häufig außen vor. Dabei könnten "an den deutschen Standorten immer wieder relevante Produktivitätspotenziale von 15 bis 30 Prozent geborgen werden", so die Wissenschaftler.

In Anbetracht ihrer Untersuchungsergebnisse zweifeln die Forscher grundsätzlich an der Qualität etlicher Standortentscheidungen: In der Praxis seien teilweise "hemdsärmelige" Ansätze zu beobachten, bei denen der Favorit nach wenigen Kriterien ausgesucht werde - oft ohne deutsche Standorte überhaupt als Alternative einzubeziehen.

  • Autoproduktion: Deutsche Standorte sind hoch profitabel. Zur Grafik

Steffen Kinkel, Christoph Zanker: Internationale Produktionsstrategien bei Automobilzulieferern - Erfahrungen und Muster, in: WSI-Mitteilungen 1/2007.

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