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HBS Böckler Impuls

Öffentliche Dienstleistungen: Kommunen schlagen Private

Ausgabe 03/2010

Zahlreiche Kommunen haben zuvor privatisierte Aufgaben wieder selbst übernommen. Fallstudien zeigen: Öffentliche Betriebe sind häufig günstiger, obwohl sie die Beschäftigten besser bezahlen als private Anbieter.

Als Arbeitgeber hat sich der Staat in Deutschland in den vergangenen beiden Jahrzehnten zurückgezogen. Stellen wurden abgebaut, kommunale Betriebe privatisiert - seit etwa 1990 sinkt der Anteil der im öffentlichen Dienst Beschäftigten an allen Erwerbstätigen. Allerdings gab es in den zurückliegenden vier Jahren auch einen Gegentrend: Viele Städte und Landkreise haben zuvor privatisierte Aufgaben wieder übernommen. Allein zwischen 2006 und 2008 holten bundesweit rund 100 Kommunen die einst privatisierte Abfallentsorgung zurück, berichtet der Wirtschaftswissenschaftler Tim Engartner. Auch bei anderen Tätigkeiten der öffentlichen Daseinsvorsorge wie etwa der Gebäudereinigung gab es eine vergleichbare Entwicklung. Der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young zufolge plante 2007 jede zehnte Gemeinde, privatisierte Betriebe wieder einzugliedern.

Warum und mit welchem Erfolg sich Städte und Landkreise zur Re-Kommunalisierung entschlossen haben, hat Engartner im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung untersucht. Nach Fallstudien in den Städten Bergkamen, Aachen, Dortmund, Freiburg und dem Kreis Düren zeichnet sich ab: Am Gewinn orientierte Privatunternehmen verlangen eher höhere Gebühren als Stadtwerke - obwohl sie niedrigere Löhne zahlen. Kommunale Eigenbetriebe ermöglichen den Kreisen und Städten dagegen, die Gebühren mit Rücksicht auf die Bürger festzulegen und gleichzeitig mehr Existenz sichernde Arbeitsplätze zu schaffen.

Als Vorreiter der Re-Kommunalisierung gilt Bergkamen. Die Stadt hatte bereits 1995 Stromnetze für 50 Millionen Euro von Energieunternehmen gekauft und mit Kamen und Bönen gemeinsame Stadtwerke gegründet. Im Juli 2006 kam die zuvor zehn Jahre lang von einem Privatunternehmen geleistete Abfallentsorgung hinzu. Die Anschaffung neuer Fahrzeuge, EDV und Arbeitskleidung kostete  zwar ebenfalls Geld, unter dem Strich ergab sich aber - wie erhofft - eine Kostenersparnis für die Verbraucher von fast 30 Prozent. Außerdem stellte sich heraus, dass  eine bessere Qualität geboten wurde - Abfuhrrhythmen wurden vereinheitlicht, die Wartezeiten für den Sperrmüll kürzer.

Nicht nur in Bergkamen, auch andernorts sind öffentliche Unternehmen günstiger als private Anbieter. Die Studie nennt mehrere Gründe:

  • Stadtwerke müssen im Unterschied zum Privatunternehmen keine Gewinne erwirtschaften. Die Gebühren müssen nur die Kosten decken, darum können sie niedriger sein.
  • In der Entsorgungsbranche gibt es stets das Risiko der Unterauslastung der Anlagen. Private Betriebe verlangen dafür eine erhebliche Risikoprämie.
  • Öffentliche Betriebe arbeiten eher mit fest angestelltem und qualifiziertem Personal. Das ermöglicht mehr Effizienz.
  • Steuerliche Vorteile spielen eine Rolle. Die Abfallentsorgung zählt zur hoheitlich zu regelnden Daseinsvorsorge, darum zahlen kommunale Betriebe keine Mehrwertsteuer.
  • Städte und Gemeinden, die öffentliche Aufgaben in eigener Regie leisten, können auf eine kostspielige europaweite Ausschreibung verzichten.

Inzwischen haben größere Städte wie Ludwigshafen, aber auch wirtschaftlich schwächere Kreise Verträge mit privaten Anbietern nicht verlängert. So übernimmt nun in der Uckermark ein kreiseigner Betrieb die Müllabfuhr. Der Kreis spart dadurch zwei Millionen Euro pro Jahr, die Gebühren blieben konstant. Auch in den Landkreisen Aachen und Düren wurden Entsorgung und Müllabfuhr billiger, die Gebühren sanken um bis zu 20 Prozent. Zudem wird die Arbeit nun von nach Tarif bezahlten und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten erledigt. Das steht im Gegensatz zum Modell etlicher privater Entsorgungs-Anbieter, die manchmal von vornherein mit Zuschüssen der Arbeitsagentur zu den Lohnkosten ihrer schlecht entlohnten Kräfte kalkulieren. Ein weiterer Vorteil der Re-Kommunalisierung: Öffentliche Betriebe können gezielt Aufträge an lokale Handwerker oder Dienstleister geben. Damit haben die Kreise und Städte ein zusätzliches Instrument, um die lokale Wirtschaft zu stärken.

Diesen Vorteilen stehen auch Schwierigkeiten beim Übergang gegenüber, so der Forscher. Der Wissensverlust, der durch den Verkauf der Eigenbetriebe entstand, muss erst wieder wettgemacht werden. Zudem fallen Investitionskosten an. Und die dürften für viele Städte und Gemeinden angesichts der durch die Bankenkrise verschärften Notlage der öffentlichen Finanzen eine erhebliche Hürde darstellen.  

  • Beim Personal spart der Staat seit langem. Zur Grafik
  • Warum Kommunen öffentliche Dienstleistungen wieder in die eigene Hand nehmen. Zur Grafik

Tim Engartner: Kehrt der Staat zurück? Rekommunalisierung in den Aufgabenbereichen Entsorgung und Gebäudereinigung, in: Zeitschrift für öffentliche und gemeinnützige Unternehmen 4/2009

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