Quelle: HBS
Böckler ImpulsHartz IV: Knapp gerechnet
Der neue Hartz-IV-Satz beruht auf fragwürdigen Berechnungen.
Bei der Neubestimmung der Hartz-IV-Regelsätze hat die Bundesregierung nach eigener Aussage die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt. Sozialexperten sehen jedoch erhebliche Defizite. Die Verteilungsforscherin Irene Becker hat wichtige Einwände gegen die Berechnungen des Arbeitsministeriums zusammengestellt:
=> Als Ausgangspunkt der Berechnung wurden bei den Alleinstehenden nicht die unteren 20 Prozent der Haushalte, die nicht von Grundsicherung leben, herangezogen, sondern nur die unteren 15 Prozent. Damit sinkt das Durchschnittseinkommen der Referenzhaushalte - und der Regelsatz.
=> Aus der Referenzgruppe hätten korrekterweise nicht nur diejenigen herausgerechnet werden müssen, die von Grundsicherung leben, sondern auch die Menschen in verdeckter Armut. Die Einkommen derer, die aus Unkenntnis oder Scham keinen Hartz-IV-Antrag stellen, senken ebenfalls den Einkommensdurchschnitt und folglich den Regelsatz.
=> Einige Ausgaben der Bezugsgruppe gehen gar nicht oder nut teilweise in den Regelsatz ein. So werden in der Rubrik Verkehr lediglich die Kosten der Haushalte ohne Auto berücksichtigt. Gerade Familien mit Kindern besitzen und brauchen jedoch überwiegend ein Auto, so Becker. Die Fallzahl der Haushalte mit Kindern, aber ohne Auto sei so gering, dass deren Ausgaben für Bus und Bahn nicht als repräsentativ angesehen werden könnten.
Fragwürdig sei es zudem, Mobilfunkkosten außen vor zu lassen - wiederum besonders, wenn Kinder im Haushalt leben. Aus organisatorischen und Sicherheitsgründen nutzen die meisten Familien in der Referenzgruppe Handys.
Auch der geplante Abschlag für die neuerdings nicht mehr "regelsatzrelevanten" Rubriken Tabak und Alkohol ist laut Becker nicht unproblematisch. Zumal das Geld allen Grundsicherungsbeziehern - auch 14- bis 17-Jährigen - abgezogen wird, unabhängig davon, ob sie rauchen oder trinken.
Irene Becker: Vortrag bei der Caritas, September 2010.