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HBS Böckler Impuls

Gesundheit am Arbeitsplatz: Kleine Auszeit, große Wirkung

Ausgabe 07/2006

Stündliche Kurzpausen für Fabrikarbeiter, tariflich geregelt? Das klingt für viele nach Luxus. Doch Arbeitswissenschaftler kommen zu klaren Ergebnissen, wie eine aktuelle Studie zum Forschungsstand zeigt: Erholzeiten sind - nicht nur in der Industrie - dringend nötig. Und sie lohnen sich auch für die Unternehmen.

Eine Pause braucht jeder mal. Deshalb gibt es sogar eine internationale Norm für die kleine Auszeit von der Arbeit. DIN EN ISO 10075-2:2000 heißt die Vorschrift, und sie hält unter anderem fest, in welchem Rhythmus und in welcher Länge sich Erholungsphasen empfehlen: Aus Sicht der Norm-Experten "sind kurze Pausen nach kurzen Arbeitsabschnitten längeren Pausen nach längeren Arbeitsabschnitten vorzuziehen."

Wer sich beispielsweise zusätzlich zu den Essenspausen am Ende jeder Arbeitsstunde fünf bis zehn Minuten entspannt, tut also viel dafür, seine Gesundheit und seine Leistungsfähigkeit zu erhalten. Dieser Zusammenhang "gehört zu den am besten gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen", betont Alfred Oppolzer, Soziologieprofessor an der Universität Hamburg. Der Fachmann für Arbeits- und Gesundheitswissenschaften fasst in einer neuen, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie zusammen, was Mediziner, Psychologen und Sozialwissenschaftler in den vergangenen Jahrzehnten zum "menschengerechten" Umgang mit Arbeitsbelastungen herausgefunden haben.

Den besonderen Wert regelmäßiger, kurzer Erholungszeiten erklären Arbeitsmediziner mit der menschlichen Physiologie. Der Befund ist klar: Bei gleich fortdauernder Arbeitsbelastung wachsen einerseits die körperliche und die seelische Beanspruchung im Zeitverlauf nicht linear an, sondern exponentiell. Nach zwei oder drei Stunden am Fließband oder vor dem Computerbildschirm ist der Arbeitende also nicht doppelt oder dreifach so ermüdet wie nach einer Stunde, sondern um ein Vielfaches mehr. Mit zunehmender Ermattung sinkt aber die Konzentrationsfähigkeit, Quantität und Qualität der Arbeitsergebnisse fallen gerade bei monotonen Tätigkeiten geringer aus. Die Beschäftigten fühlen sich schneller gestresst und sind unzufriedener. So steigt das Risiko von Fehlern oder gar Unfällen.

Andererseits haben kurze Pausen in kürzeren Intervallen eine besonders große Erholungswirkung: Die Arbeitswissenschaft geht davon aus, dass nach etwa einem Viertel der Pausenzeit rund drei Viertel des Erholungsbedarfes ausgeglichen sind. "Bei kürzeren Arbeitszyklen und häufigeren Kurzpausen ist insgesamt weniger Erholzeit für den Ausgleich der gleichen Gesamtermüdung erforderlich", so Oppolzer.

Die Rechnung zeigt, dass sich Kurz-Auszeiten auch für den Arbeitgeber lohnen. Denn der Verlust an Arbeitszeit wird durch ein Plus an Leistungsfähigkeit überkompensiert: "Neuere Untersuchungen haben sowohl die positiven Effekte auf die Produktivität als auch auf die Minderung von Unfallrisiken und auf das körperliche und psychische Wohlbefinden der Beschäftigten bestätigt", resümiert der Wissenschaftler. "Nie waren Erholzeiten so wertvoll wie heute." Denn mit ihnen ließen sich die zusätzlichen Belastungen zumindest teilweise mildern, die Arbeitsverdichtung sowie flexiblere und wieder verlängerte Arbeitszeiten in den vergangenen Jahren gebracht haben.

Künftig werde der Wert der Pausen noch aus einem anderen Grund weiter steigen, prognostiziert der Experte: Die demografische Entwicklung in Deutschland schlägt sich längst auch in Fabrikhallen, Büros und Labors nieder. Im Jahr 2015 dürfte jeder dritte Erwerbstätige älter als 50 Jahre alt sein. Fachleute gehen zwar davon aus, dass ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer grundsätzlich nicht weniger leistungsfähig sind als jüngere. Doch unvermeidliche bio- und psychophysiologische Veränderungen im Organismus führen dazu, dass bei ihnen die Ermüdungsgeschwindigkeit steigt und sich die Erholungsfähigkeit verlangsamt. Für den Arbeitswissenschaftler ist deshalb klar: Der kleinen Auszeit müsste die Zukunft gehören.

  • Nach harter Arbeit braucht der Körper mehr als nur ein kurzes Durchscnaufen, um sich zu erholen. Zur Grafik

Alfred Oppolzer: Menschengerechte Gestaltung der Arbeit durch Erholzeiten (Kurzpausen), Gutachten gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung, März 2006; mehr in WSI-Mitteilungen 6/2006

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