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Kindergrundsicherung deckt Bedarf nicht Böckler Impuls

Verteilung: Kindergrundsicherung deckt Bedarf nicht

Ausgabe 07/2024

Die von der Regierung geplante Kindergrundsicherung fällt zu niedrig aus. Für ein angemessenes Niveau müssten die Beträge anders berechnet werden.

Die Kindergrundsicherung soll Kinder vor Armut schützen – und insgesamt zu mehr Chancengerechtigkeit beitragen. Ob das gelingt, hängt auch davon ab, wie die Leistungen berechnet werden. Die derzeitigen gesetzlichen Verfahren zur Bemessung des soziokulturellen Existenzminimums sind „in mehrfacher Hinsicht unzulänglich“, schreibt die Verteilungsforscherin Irene Becker in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie. Nach ihren Berechnungen, die auf einem alternativen Konzept zur Ermittlung des Existenzminimums basieren, müssten die Leistungen deutlich höher ausfallen als von der Bundesregierung vorgesehen: Je nach Alter der Kinder und Jugendlichen lägen sie im Jahr 2025, wenn die Grundsicherung starten soll, zwischen 30 und 191 Euro im Monat höher als derzeit geplant.

„Der Erfolg einer Kindergrundsicherung bei der Bekämpfung von Kinderarmut steht und fällt mit der Bemessung des zu sichernden Existenzminimums“, so Becker. Derzeit wird es nach einem relativ komplexen Verfahren berechnet, in dem sich „objektive“ Statistiken zu Konsumausgaben von Haushalten im untersten Einkommensbereich und zum Teil „willkürliche“ politische Vorgaben mischen. Beispielsweise werden etliche Ausgaben generell gestrichen – unter anderem für Taschen, Regenschirme, das Eis in der Eisdiele, Pflanzen und Tierfutter. Durch die Eingriffe wird der zur Sicherung des Existenzminimums notwendige finanzielle Bedarf rechnerisch „gedrückt“.

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Ein von der Forscherin entwickeltes Alternativkonzept räumt damit auf und macht die Berechnung nachvollziehbarer. Im Kern geht es darum, die Konsumausgaben in der Mitte der Einkommensverteilung als Bezugspunkt zu nehmen. So wäre es nach Analyse der Armutsexpertin plausibel, soziokulturelle Teilhabe als gerade noch gegeben zu definieren, wenn Haushalte bei den Ausgaben für Grundbedürfnisse wie Ernährung, Bekleidung und Wohnen nicht mehr als 25 Prozent und bei sonstigen Bedürfnissen nicht mehr als 40 Prozent von der Mitte nach unten abweichen. Eine Streichung einzelner Ausgabenpositionen würde nicht erfolgen. Zudem sollten Haushalte, die aufgrund ihres niedrigen Einkommens Anspruch auf Grundsicherungsleistungen hätten, diesen jedoch nicht wahrnehmen, generell aus den Berechnungen ausgeklammert werden – die Einbeziehung solcher Haushalte in „verdeckter Armut“ ist ein weiterer verzerrender Faktor bei der bisherigen Berechnung des Existenzminimums.

Außerdem sollte die Kindergrundsicherung mit der allgemeinen Preisentwicklung Schritt halten. Die Wissenschaftlerin empfiehlt eine kontinuierliche Anpassung mindestens entsprechend dem Verbraucherpreisindex. Ein spezieller Preisindex ist nicht erforderlich, da die Kindergrundsicherung – anders als Grundsicherung und Bürgergeld – als umfassende Pauschale einschließlich der Kosten der Unterkunft und Heizung konzipiert ist. Für Situationen mit tendenziell deutlich steigenden Preisen sollten zudem unterjährige Anpassungen vorgesehen werden. 

Berechnungen mit dem von Becker entwickelten Modell zur Ermittlung eines soziokulturellen Existenzminimums, ausgeweitet auf das Konzept der Kindergrundsicherung und angepasst an die Entwicklung der Verbraucherpreise, ergeben spürbar höhere Beträge als nach der derzeitigen gesetzlichen Bedarfsermittlung: Danach läge der monatliche Höchstbetrag im kommenden Jahr für Kinder unter sechs Jahren bei 560 Euro, für Kinder von sechs bis unter 14 Jahren bei 693 Euro und für Jugendliche bis unter 18 Jahren bei 827 Euro. Zum Vergleich: Nach dem Gesetz wären es 530 Euro, 557 Euro und 636 Euro. Das Alternativkonzept brächte den betroffenen Familien ein Plus von rund 6 bis 30 Prozent – ein Unterschied, der für die Teilhabechancen der Kinder entscheidend sein kann. Auch Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI, betont, dass das vorliegende Konzept der Bundesregierung zwar „eine in der Intention sinnvolle Verwaltungsreform“ darstellt, das allein aber nicht ausreicht: „Niedrigere bürokratische Hürden bei der Antragstellung sind wichtig, ändern jedoch nichts daran, dass die geplanten Leistungen absehbar zu niedrig sind.“

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