Quelle: HBS
Böckler ImpulsKonjunktur: Kein Aufschwung in Sicht
Die Wirtschaft dürfte sich im laufenden und im kommenden Jahr schwach entwickeln. Geld- und Finanzpolitik sind gefragt.
Die deutsche Konjunktur wird ihre aktuelle Schwäche nur langsam überwinden. Positive Impulse für die Wirtschaftsentwicklung kommen 2024 und vor allem 2025 vom privaten Konsum als Folge niedrigerer Inflation und höherer Lohnabschlüsse. Doch die restriktive Finanzpolitik der Bundesregierung und die zunächst weiterhin hohen Zinsen verhindern, dass aus der leichten Erholung ein echter Aufschwung wird. Insbesondere die Unsicherheit hinsichtlich der künftigen Spielräume bei öffentlichen Investitionen und staatlicher Förderung von privaten Investitionen bleibt hoch. Im Ergebnis sinkt das Bruttoinlandsprodukt im Jahresdurchschnitt 2024 um 0,3 Prozent, 2025 steigt es um 0,8 Prozent. Das zeigt die neue Konjunkturprognose des IMK.
Die Situation auf dem Arbeitsmarkt bleibt trotzdem relativ stabil: Die Arbeitslosenquote steigt 2024 auf 5,9 und 2025 auf 6,0 Prozent – nach 5,7 Prozent 2023. Die durchschnittliche Inflationsrate wird im laufenden Jahr mit 2,4 Prozent wieder nahe am Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent liegen und es im Jahresmittel 2025 erreichen.
Die Ökonominnen und Ökonomen des IMK gehen davon aus, dass die EZB ab April dieses Jahres mit ersten vorsichtigen Zinssenkungen auf die deutlich gesunkene Inflation und die insgesamt schwache Wirtschaftsentwicklung im Euroraum reagieren wird. Bis Ende 2024 dürfte der geldpolitisch entscheidende EZB-Einlagenzins von vier Prozent auf drei Prozent gesenkt werden. Kommt es so, würde die Zentralbank einen – nach Ansicht des IMK längst überfälligen – ersten Beitrag dazu leisten, dass sich die Stagnation in der Währungsunion nicht noch weiter verfestigt.
Schlechter sind die Aussichten auf nationaler Ebene: „Während eine Lockerung der Geldpolitik in Sicht ist, zeichnet sich eine konjunkturgerechte Umkehr der deutschen Fiskalpolitik bisher nicht ab“, kritisiert das IMK. Notwendig wäre es in der bereits lang andauernden Wirtschaftsflaute, die Infrastrukturinvestitionen auszuweiten und transformative Investitionen direkt sowie über günstigere Abschreibungsmöglichkeiten zu fördern. In diesem Zusammenhang müsse auch der Strompreis zum Beispiel durch eine Übernahme von Netzentgelten durch den Bundeshaushalt gesenkt werden, um Produktion im Inland zu sichern und die Abkehr von fossilen Energien im Verkehr und bei der Wärmeerzeugung der Haushalte zu unterstützen.
„Ob es in absehbarer Zeit gelingt, die Schuldenbremse zumindest so weit zu reformieren, dass Investitionen ausgenommen sind, ist allerdings weiterhin fraglich, obwohl die Fiskalregeln auf europäischer Ebene jüngst dahingehend verändert wurden“, schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Sie sehen darin ein gravierendes Versäumnis: „Im vergangenen Jahr begründeten die Energiepreisschocks, die Deutschland besonders stark trafen, das schwache Wachstum. In diesem und im kommenden Jahr ist es die Schuldenbremse, die Deutschland zum wirtschaftlichen Schlusslicht unter den Industrieländern macht.“
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Arbeitsmarkt bleibt relativ stabil
Die schwache konjunkturelle Dynamik bremst die Entwicklung der Erwerbstätigkeit deutlich. Sie wächst aber weiter. Die Zahl der Erwerbstätigen legt 2024 jahresdurchschnittlich um 0,3 Prozent und 2025 noch um 0,1 Prozent zu. Gleichzeitig steigt die Arbeitslosigkeit leicht. Bei den Arbeitslosenzahlen prognostiziert das IMK im Jahresdurchschnitt 2024 einen Anstieg um gut 140 000 Personen, sodass im Jahresmittel rund 2,75 Millionen Menschen arbeitslos sein werden. Für 2025 veranschlagen die Forschenden eine weitere geringfügige Zunahme der Arbeitslosigkeit um rund 30 000 auf 2,78 Millionen Personen. Allerdings dürfe diese vergleichsweise undramatische Entwicklung nicht darüber hinwegtäuschen, dass „die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt durchaus fragil ist“, warnt das IMK. Ein weiterer negativer ökonomischer Schock, sei er konjunktureller Art, Folge der Dekarbonisierung oder anderen Ursprungs, könnte eine deutliche Verschlechterung der Lage provozieren.
Weltwirtschaft liefert weniger Impulse
Die Weltwirtschaft erholt sich 2024 und 2025 moderat, weil die Inflation global gesunken ist und auch Zinssenkungen der Notenbanken absehbar sind. Allerdings ist der Trend weltweit nicht einheitlich: Während das Wirtschaftswachstum in Indien stark bleibt und in Südkorea, Kanada oder der EU zumindest etwas anzieht, verlangsamt sich die Entwicklung in den USA, allerdings auf vergleichsweise hohem Niveau: 2024 wächst die US-Wirtschaft um 2,2 und 2025 um 1,7 Prozent im Jahresmittel. Für China prognostiziert das IMK einen Zuwachs um 4,5 und 4,3 Prozent. Das Wirtschaftswachstum im Euroraum steigt von 0,5 Prozent 2024 auf 1,3 Prozent im kommenden Jahr. Nach dem Einbruch 2023 erhalten die deutschen Exporte deshalb etwas stärkere Impulse von wichtigen Handelspartnern, was sich allerdings erst im kommenden Jahr in der Statistik niederschlägt: Im Jahresdurchschnitt 2024 sinken die Ausfuhren noch um 1,5 Prozent, 2025 legen sie um 2,2 Prozent zu.
Geringe Haushaltsdefizite
Die Steuereinnahmen steigen 2024 eher langsam, nicht zuletzt als Folge verschiedener steuerlicher Entlastungen. 2025 nehmen sie dann etwas stärker zu. Das öffentliche Budget wird 2024 ein Defizit von 1,8 Prozent aufweisen.
Für das kommende Jahr geht das IMK für die öffentlichen Finanzen von einem restriktiveren Kurs aus: Der Staat dürfte die Sparpolitik, auf die er nach dem Urteil des Verfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt vom vergangenen November umgeschwenkt ist, weiter verschärfen. Das bremst die Konjunktur, lässt aber kurzfristig auch das Defizit weiter sinken auf 1,2 Prozent im Jahresdurchschnitt 2025.
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Sebastian Dullien (IMK) wirft in der Frühjahrsprognose Licht auf die aktuelle Lage und die zu erwartenden Entwicklungen in der deutschen Wirtschaft.
Sebastian Dullien u.a.: Wirtschaftspolitische Restriktion und Unsicherheit dämpfen deutsche Konjunktur. Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung 2024/2025, IMK Report Nr. 188, März 2024