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Kaufkraft knapp gesichert Böckler Impuls

Tariflöhne: Kaufkraft knapp gesichert

Ausgabe 20/2023

Die Tarifabschlüsse konnten 2023 im Durchschnitt annähernd mit den Preissteigerungen mithalten. Die realen Verluste der Vorjahre sind aber noch nicht wieder ausgeglichen.

Die Tariflöhne in Deutschland sind im Jahr 2023 um durchschnittlich 5,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Die Zuwachsrate ist damit mehr als doppelt so hoch wie 2022, als es lediglich 2,7 Prozent waren. Das ergibt sich aus der vorläufigen Jahresbilanz des WSI-Tarifarchivs. Die hohen Zuwächse erfolgen vor dem Hintergrund einer nach wie vor hohen Inflationsrate. Angesichts einer für das Gesamtjahr 2023 zu erwartenden Steigerung der Verbraucherpreise um 6 Prozent ergäbe sich hieraus ein durchschnittlicher Rückgang der tarifvertraglich vereinbarten Reallöhne um 0,4 Prozent. Dabei ist die Wirkung der in vielen Branchen vereinbarten steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleichs­prämien allerdings nicht in vollem Umfang berücksichtigt. Für einen Teil der Beschäftigten dürfte die finanzielle Bilanz daher besser ausfallen.

Reales Lohnniveau wie 2016

„Die Kaufkraft der Tarifbeschäftigten konnte im Jahr 2023 annähernd gesichert werden“, sagt Thorsten Schulten, Leiter des Tarifarchivs. „Allerdings bleiben die erheblichen Reallohnverluste der beiden Vorjahre, die nicht in einer einzigen Tarifrunde ausgeglichen werden können.“ Während die Tariflöhne in den 2010er-Jahren real kontinuierlich zugenommen haben, stiegen die Preise 2021 und vor allem 2022 deutlich stärker als die Löhne, so dass sich die Tariflöhne preisbereinigt heute wieder auf dem Stand des Jahres 2016 befinden.

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In den meisten Tarifabschlüssen des Jahres 2023 wurden sogenannte Inflationsausgleichsprämien vereinbart. Dabei handelt es sich um steuer- und abgabenfreie Einmalzahlungen, die je nach Tarifbereich zwischen 1000 und 3000 Euro betragen und über einen Zeitraum von zwei Jahren in mehreren Teilbeträgen oder auch als monatliche Zusatzzahlungen ausgezahlt werden. Da die Steuer- und Abgabenersparnisse, je nach Steuerklasse und Haushaltssituation, sehr unterschiedlich ausfallen, sind sie in den Berechnungen der durchschnittlichen Tariflohnentwicklung lediglich als Bruttoeinmalzahlungen berücksichtigt. 

Um die darüber hinausgehenden Steuer- und Abgabenersparnisse der Inflationsprämie zu bewerten, hat das WSI-Tarifarchiv zusätzlich Modellrechnungen auf Basis der durchschnittlichen Steuer- und Abgabenquote für einzelne Tarifbranchen durchgeführt. Dabei zeigt sich: Wenn der „Brutto-für-netto-Effekt“ dieser Prämien berücksichtigt wird, fallen die Tariflohnerhöhungen 2023 in einigen Branchen deutlich höher aus. Beispielsweise ergeben sich für den öffentlichen Dienst von Bund und Gemeinden unter Berücksichtigung der Steuer- und Abgabenersparnisse 9,8 Prozent, ohne diesen Effekt sind es 6,8 Prozent.

„Die steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleichsprämien haben 2023 in vielen Tarifbranchen dazu beigetragen, dass Reallöhne nicht nur gesichert, sondern teilweise auch deutlich angehoben werden konnten“, sagt Schulten. „Da es sich hierbei um Einmalzahlungen handelt, wirken sie sich mit ihrem Auslaufen in den Folgejahren jedoch stark dämpfend auf die Lohnentwicklung aus.“

Überproportionale Anhebungen unterer Tarifgruppen

Die Inflationsprämien haben auch eine deutliche soziale Komponente und führen zu einer überproportionalen Lohnerhöhung in den unteren Tariflohngruppen. Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass in vielen Tarifabschlüssen des Jahres 2023 prozentuale Lohnerhöhungen mit festen Mindestbeträgen kombiniert werden, was ebenfalls besonders unteren Lohngruppen zugutekommt.

„Angesichts deutlich rückläufiger Inflationsraten dürfte sich der Druck auf die Tarifvertragsparteien 2024 wieder etwas entspannen“, sagt WSI-Experte Schulten. Allerdings bestehe angesichts der Reallohnverluste der Vorjahre nach wie vor Nachholbedarf. Steigende Reallöhne seien auch wichtig, um die schwache Konjunkturentwicklung in Deutschland zu stabilisieren.

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