Quelle: HBS
Böckler ImpulsKurzarbeit: Jobs gesichert, Sorgen bleiben
Kurzarbeit rettet viele Jobs. Dennoch ist die Lage für viele Betroffene ernst: Die Hälfte berichtet von Existenzängsten. Beschäftige mit Tarifvertrag haben es besser.
Kurzarbeit hat in der Coronakrise bislang mindestens eine Million Arbeitsplätze gerettet. Trotzdem ist sie für viele Betroffene eine erhebliche Belastung, knapp die Hälfte verzeichnet deutliche finanzielle Einschränkungen, etwas mehr als die Hälfte hat Existenzängste. Das zeigt eine Studie von Toralf Pusch und Hartmut Seifert aus dem WSI. Die Forscher haben die Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung ausgewertet, eine repräsentative Befragung von mehr als 6100 Erwerbstätigen und Arbeitsuchenden im November 2020. Dieselben Personen hatten bereits im April und im Juni Auskunft gegeben.
Der Auswertung zufolge schätzten 48 Prozent der Beschäftigten in Kurzarbeit ihre finanzielle Situation im November 2020 als stark belastend ein – diese Quote war fast viermal so hoch wie unter sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ohne Kurzarbeit, etwa anderthalbmal so hoch wie unter Selbstständigen und nicht viel niedriger als bei Arbeitslosen. Beschäftigte, deren Kurzarbeitsgeld aufgestockt wird, fühlten sich weniger belastet als diejenigen, die keine Aufstockung erhalten. So berichteten knapp 53 Prozent der Kurzarbeitenden ohne Aufstockung, ihre finanzielle Situation sei stark belastend, unter denen mit Aufstockung sagten das knapp 42 Prozent.
Rücklagen vielfach aufgebraucht
Kurzarbeit habe gesamtwirtschaftlich eine große positive Wirkung, weil sie Beschäftigung sichert und Unternehmen ermöglicht, nach Abklingen der Krise mit eingespielten Belegschaften durchzustarten, betonen Pusch und Seifert. Dennoch sei angesichts des historisch beispiellosen Umfangs von Kurzarbeit in der Coronakrise bei etlichen Betroffenen „mit sich im Laufe der Zeit verschärfenden sozialen Problemen zu rechnen, da finanzielle Rücklagen vielfach bereits aufgebraucht sind“. Bereits im November berichteten 53 Prozent der Kurzarbeitenden von Existenzängsten. Der Anteil war deutlich höher als unter Selbstständigen mit knapp 31 Prozent und gut dreimal so hoch wie bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ohne Kurzarbeit mit knapp 17 Prozent. Ein wesentlicher Grund für die häufigen Sorgen um die eigene wirtschaftliche Zukunft dürfte die von vielen Kurzarbeitenden geäußerte Furcht sein, doch noch arbeitslos zu werden.
Bei der Befragung im November gaben rund acht Prozent der Befragten an, in Kurzarbeit zu sein. Hochgerechnet auf die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland wären das etwa zweieinhalb Millionen Personen. Durch den „Lockdown Light“ war im Gastgewerbe die Kurzarbeitsquote mit rund 50 Prozent besonders hoch. Insgesamt waren Frauen mit 9 Prozent etwas stärker betroffen als Männer mit 7,6 Prozent. Anders als in früheren Wirtschaftskrisen war Kurzarbeit in kleinen Betrieben bis zehn Personen mit einer Quote von knapp 13 Prozent verbreiteter als in größeren. Da der gesetzliche Kündigungsschutz in diesem Bereich nicht greift, hat Kurzarbeit hier eine besonders wichtige Funktion zur Stabilisierung von Beschäftigung.
Besser dran mit Betriebsrat und Tarifbindung
Rund 42 Prozent der Befragten erhielten im November eine Aufstockung des Kurzarbeitsgeldes. Zum Teil sei dies darauf zurückzuführen, dass es nach den aktuellen gesetzlichen Regelungen ab dem vierten beziehungsweise dem siebten Monat Bezugsdauer automatisch ansteigt, so die Forscher. Zugleich spielten auch tarifliche und betriebliche Vereinbarungen eine große Rolle, konstatieren Pusch und Seifert: So erhielten von den Kurzarbeitenden in Betrieben mit Tarifvertrag knapp 53 Prozent eine Aufstockung, während es ohne Tarifvertrag lediglich knapp 29 Prozent waren. Noch größer war der Vorsprung in Betrieben mit Betriebsrat, in denen gut 66 Prozent eine Aufstockung erhielten, gegenüber solchen ohne betriebliche Mitbestimmung, wo der Anteil bei lediglich 26 Prozent lag.
Toralf Pusch, Hartmut Seifert: Stabilisierende Wirkungen durch Kurzarbeit, Wirtschaftsdienst 1/2021