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HBS Böckler Impuls

Arbeitszeitverlängerung: Jobkiller 40-Stunden-Woche?

Ausgabe 02/2005

Eine flächendeckende Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche könnte Deutschland innerhalb von nur zehn Jahren bis zu 2,5 Millionen Arbeitsplätze kosten. Wissenschaftliche Modellrechnungen zeigen eine konjunkturelle Abwärtsspirale mit fatalen Folgen.

Klaus Bartsch, Ökonometriker, hat jetzt auf der Grundlage von Simulationsmodellen und unter verschiedenen Annahmen die Wirkungen tariflicher Arbeitszeitverlängerungen um eine Stunde beziehungsweise drei Stunden ohne Lohnausgleich untersucht.

Als maßgebliche Varianten berücksichtigen seine Modelle vor allem

  • eine unterschiedliche Haushaltspolitik in Deutschland - wird eine höhere Staatsverschuldung geduldet oder die Sparpolitik verschärft?
  • die Reaktionen des Auslands auf die Arbeitszeitverlängerung in Deutschland - ziehen andere Länder mit?

Die Studie kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Arbeitszeitverlängerungen sind kein Königsweg aus der Beschäftigungskrise.
Das widerspricht gängigen Positionen in der aktuellen Debatte. Sie möchten die Arbeitzeitverkürzungen der vergangenen zwei Jahrzehnte zurückdrehen. Die Kritiker der 35-Stunden-Woche argumentieren so: Längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich senken den Stundenlohn, ermöglichen niedrigere Preise und sorgen für Wettbewerbsvorteile und mehr Beschäftigung. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft prognostiziert sogar - als einziges Forschungsinstitut - bereits in anderthalb Jahren "beachtliche Beschäftigungseffekte" durch eine Stunde längeres Arbeiten.

Die Simulationsrechnungen zeigen jedoch: Die Formel "längere Arbeitszeit = mehr Arbeitsplätze" ist zwar eingängig, geht in der Realität aber nicht auf. Genauer gesagt: nur dann, wenn das während der längeren Arbeitszeit geschaffene Warenangebot auch verkauft werden kann - und zwar sofort. Das anzunehmen, hält der Wissenschaftler angesichts der andauernden Absatzkrise  in Deutschland jedoch für reichlich realitätsfern.  Trotzdem: Die Modellrechnung  weist für diesen - unwahrscheinlichen - Fall  tatsächlich ein Plus von 116.000 Arbeitsplätzen bis 2014 aus.

Getrübt wird aber auch diese Aussicht dadurch, dass eine Arbeitszeitverlängerung in Deutschland in anderen Ländern über kurz oder lang wahrscheinlich nachvollzogen würde. Wettbewerbsvorteile wegen niedrigerer Lohnkosten dürften schnell aufgezehrt sein.

Die Bartsch-Szenarien zeigen: Steigt die Nachfrage nicht, werden durch die Arbeitszeitverlängerung schlagartig Beschäftigte überflüssig. Im Modell gehen in den ersten fünf Jahren auch bei günstigen Rahmenbedingungen über 380.000 Arbeitsplätze verloren. Auf den Staat kommen dadurch Steuerausfälle und höhere Sozialausgaben zu. Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts rückt damit in noch weitere Ferne. Würde der Sparkurs trotz der höheren Arbeitslosigkeit fortgesetzt, dann käme es durch den weiteren Nachfragerückgang sogar zu einem Verlust von über 2,5 Millionen Jobs.

  • Eine flächendeckende Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche könnte Deutschland innerhalb von nur zehn Jahren bis zu 2,5 Millionen Arbeitsplätze kosten. Wissenschaftliche Modellrechnungen zeigen eine konjunkturelle Abwärtsspirale mit fatalen Folgen. Zur Grafik

"Durch Arbeitszeitverlängerung aus der Beschäftigungskrise?" von Klaus Bartsch, Ökonometrische Analyse für die Hans-Böckler-Stiftung, Abdruck in WSI-Mitteilungen 2/2005

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