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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Job weg, Sinn verloren

Ausgabe 14/2016

Arbeitslosigkeit belastet die Psyche. Um Betroffenen zu helfen, ist zum einen ein gutes soziales Sicherungsnetz notwendig, zum anderen eine aktive Arbeitsmarktpolitik.

Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, durchleben eine schwere Zeit. Es fehlt nicht nur an Geld, auch die seelische Belastung ist groß. Nach einer Analyse von Karsten Paul, Andrea Zechmann und Klaus Moser weisen Arbeitslose „deutlich mehr Symptome seelischer Beanspruchung auf als Erwerbstätige“. Während 16 Prozent der Erwerbstätigen über psychische Probleme berichten, seien es 34 Prozent der Arbeitslosen, so die Psychologen von der Universität Erlangen-Nürnberg.

Warum Arbeitslose häufiger unter Depressionen, Ängsten, hoher Unzufriedenheit oder einem eingeschränkten Selbstwertgefühl leiden, erklären die Wissenschaftler so: Erwerbsarbeit dient nicht nur dem Geldverdienen. Sie erfüllt darüber hinaus soziale und psychische Funktionen. Eine Arbeit strukturiert den Tag, regt zu Aktivität an, beeinflusst den sozialen Status positiv, ermöglicht Sozialkontakte sowie die Teilhabe an gemeinschaftlichen, sinnvollen Zielen. In modernen Gesellschaften sei die Arbeit häufig „die einzige soziale Institution“, die diese fest verwurzelten Bedürfnisse erfüllen kann, schreiben die Forscher. Daher könne der Verlust des Arbeitsplatzes das Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen.

Wie stark sich Arbeitslosigkeit auf die Psyche auswirkt, wird den Wissenschaftlern zufolge beeinflusst durch ...

  • die Dauer der Arbeitslosigkeit: Untersuchungen zeigen, dass das Stresslevel bei Arbeitslosen in den ersten neun Monaten stetig ansteigt und sich dann auf hohem Niveau einpendelt. Bei sehr langer Arbeitslosigkeit – über zweieinhalb Jahre – deuten die Forschungsbefunde auf einen erneuten Anstieg hin.
  • die Bildung: Menschen mit höherer Bildung scheinen Arbeitslosigkeit besser zu verkraften.
  • das Geschlecht: Frauen und Männer empfinden Arbeitslosigkeit gleichermaßen als belastend. Allerdings verbessert sich die Gemütslage bei Männern stärker durch die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit.
  • das Alter: Die weit verbreitete Annahme, dass Menschen im mittleren Alter besonders stark unter Arbeitslosigkeit leiden, weil sie als Familienernährer stärker in der Pflicht sind, lässt sich nicht empirisch belegen. Auch junge Erwachsene und ältere Beschäftigte empfinden Arbeitslosigkeit als starke Belastung.
  • den Familienstand: Ein Ehepartner scheint nur für einen Teil der Arbeitslosen unterstützend zu wirken, während er in anderen Beziehungen das Gegenteil bewirkt. Im Durchschnitt heben sich beide Effekte auf.
  • die Höhe der Arbeitslosenunterstützung: Je höher das Arbeitslosengeld, desto eher sind Arbeitslose in der Lage, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, und desto weniger fühlen sie sich abgehängt. In Ländern mit einer guten staatlichen Unterstützung ist es um die psychische Gesundheit der Arbeitslosen nachweislich besser bestellt als in Ländern mit geringer Versorgung. Auch die Suizidquoten sind niedriger in Ländern mit höherem Arbeitslosengeld.

 

"Arbeitslosigkeit betrifft in vielen Ländern einen bedeutenden Anteil der Erwerbsbevölkerung und verursacht nachweislich psychische Probleme", schreiben die Forscher. Die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung seien beträchtlich. "Erwerbslosigkeit kann damit als ernste Bedrohung der öffentlichen Gesundheit betrachtet werden."

Auch wenn meistens erst der Jobverlust zu psychischen Problemen führt, kommt auch der umgekehrte Fall vor: Menschen, die psychisch krank sind, verlören eher ihren Job und hätten größere Schwierigkeiten, neue Arbeit zu finden, schreiben Paul, Zechmann und Moser. Dies deute darauf hin, dass "auf dem Arbeitsmarkt Bedingungen herrschen, die Personen mit beeinträchtigter psychischer Gesundheit zusätzlich belasten".

Aus Sicht der Psychologen könnte eine höhere staatliche Unterstützung von Arbeitslosen zur Prävention psychischer Erkrankungen beitragen. Weitere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sollten darauf abzielen, Selbstwertgefühl und emotionale Stabilität zu stärken. Es sei sinnvoll, Arbeitslose in Tätigkeiten einzubinden, die für die Gesellschaft wichtig sind und auf die Betroffene stolz sein können. Die grundsätzliche Arbeitsmotivation müsse hingegen höchstens in einzelnen Fällen gezielt gefördert werden.

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  • Unter Arbeitslosen kommen Depressionen deutlich häufiger vor. Vollzeitbeschäftigte leiden im Vergleich dazu seltener unter psychischen Erkankungen. Grafik als CSV herunterladen Zur Grafik

Karsten Paul, Andrea Zechmann, Klaus Moser: Psychische Folgen von Arbeitsplatzverlust und Arbeitslosigkeit, WSI-Mitteilungen 5/2016

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