Quelle: HBS
Böckler ImpulsCoronakrise: Jede fünfte Mutter reduziert ihre Arbeitszeit
Die Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Regierung ist auf einem Tiefpunkt angekommen. Vor allem bei denjenigen, die die Hauptlast tragen, wachsen die Sorgen.
Zwei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie ist die Unzufriedenheit groß. Insgesamt sind nur noch 31 Prozent der Erwerbstätigen und Arbeitsuchenden in Deutschland zufrieden mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung – nach 40 Prozent im Juli 2021 und 67 Prozent am Anfang der Pandemie. Vor allem Eltern, insbesondere Mütter fühlen sich stark belastet. Das zeigt die jüngste repräsentative Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung, die Bettina Kohlrausch und Andreas Hövermann vom WSI ausgewertet haben. Für die Untersuchung wurden rund 6400 Erwerbstätige und Arbeitsuchende von Anfang bis Mitte Januar 2022 zu ihrer Lebenssituation befragt. Dieselben Personen waren bereits im April, im Juni und im November 2020 sowie im Januar und im Juli 2021 interviewt worden.
Befragte, deren Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement im Zeitverlauf gesunken ist, sorgen sich häufiger als andere um den sozialen Zusammenhalt und wegen wachsender Ungleichheit – beide Sorgen haben im Januar im Vergleich zu den früheren Befragungen zugenommen. Besonders stark gesunken ist die Zufriedenheit bei Müttern. Sie fühlen sich wieder stärker durch die Pandemie belastet als noch im Sommer 2021. Zudem sind ihre Befürchtungen, ein Familienmitglied oder sie selbst könnten sich mit Covid anstecken, größer geworden. Auch ihre Sorge um den sozialen Zusammenhalt in Deutschland ist gestiegen.
In den meisten Familien sind es die Mütter, die im Job kürzertreten: 19 Prozent der Frauen mit betreuungsbedürftigen Kindern gaben im Januar 2022 an, ihre Arbeitszeit wegen der Kinderbetreuung verringert zu haben. Mit Ausnahme des ersten Lockdowns im April 2020 – damals waren es 24 Prozent – ist dies der höchste Wert seit Beginn der Befragung. Obwohl Schulen und Kitas zurzeit offen sind, bleibt der Betreuungsbedarf groß und kaum planbar. Kinder müssen häufig aufgrund von Infektionen oder Quarantäne zu Hause betreut werden. Der Anteil der Väter, die zur Kinderbetreuung ihre Arbeitszeit reduzieren, lag im Januar bei knapp 6 Prozent – zu Beginn der Pandemie waren es rund 16 Prozent.
„Menschen mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen sind während der Pandemie mit deutlich höheren Belastungen konfrontiert, doch das stand und steht weitaus weniger im Fokus der Corona-Politik. Eltern, vor allem Mütter, fühlen sich alleingelassen und zunehmend ausgelaugt. Das führt zu einem massiven Vertrauensverlust“, sagt Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI und Soziologieprofessorin an der Universität Paderborn. Für viele funktioniere die Unterstützung bei der Sorgearbeit nach wie vor nicht gut. Die Wissenschaftlerin fordert verstärkte familien- und bildungspolitische Anstrengungen: „Die coronabedingten Rückstände und Lücken, die bei vielen Schülerinnen und Schülern entstanden sind, werden nicht von selbst verschwinden, wenn die akute Pandemie ausläuft. Dagegen etwas zu tun, bleibt eine Aufgabe über Jahre.“
Die Sorgen um die eigene finanzielle Situation haben in jüngster Zeit hingegen nicht sonderlich zugenommen. Und weniger Erwerbstätige fürchten um ihren Job. Es gibt aber eine wichtige Ausnahme: Die finanziellen Probleme der Haushalte, die ohnehin schon die niedrigsten Einkommen haben, sind seit Mitte 2020 gewachsen. „Die Hilfspakete und Arbeitsmarktinstrumente, die zur Absicherung von Erwerbstätigen geschaffen wurden, konnten tatsächlich materielle Sicherheit vermitteln. Für Menschen mit niedrigen Einkommen gilt das jedoch nicht oder nur begrenzt“, so Kohlrausch. Viele von ihnen steckten in prekären Arbeitsverhältnissen ohne Absicherung.