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Investitionen und Industriepolitik Böckler Impuls

Wirtschaft: Investitionen und Industriepolitik

Ausgabe 01/2025

Um das deutsche Wirtschaftsmodell zukunftsfest zu machen, muss die neue Bundesregierung beherzt in die Infrastruktur investieren, die Energiepreise stabilisieren und die Industrie bei der Transformation unterstützen.

Die anhaltende Stagnation der deutschen Wirtschaft der vergangenen Jahre ist nicht auf überhöhte Lohnkosten oder hohe Sozialausgaben zurückzuführen. Ursächlich sind vor allem die geopolitischen Rahmenbedingungen, die stark geprägt sind durch einen sich zuspitzenden Machtkampf zwischen den beiden wichtigen Handelspartnern China und USA. Hinzu kommt der Energiepreisschock infolge des Krieges in der Ukraine. Zu diesen Ergebnissen kommt das IMK in seiner wirtschaftspolitischen Untersuchung zum Jahresauftakt.

Die Ökonominnen und Ökonomen warnen vor „verkürzten Analysen“, die von den wahren Problemen ablenken. Als Beispiel nennen sie die Debatten über vermeintlich zu hohe Sozialausgaben oder falsche Anreize durch das Bürgergeld. Dadurch gehe nicht nur Zeit verloren, Druck auf Löhne und soziale Sicherung könnte auch die Binnennachfrage als wichtigen Stabilitätsanker weiter schwächen. Ein weiteres Beispiel für eine falsche Schwerpunktsetzung sei der zu zögerliche Kurs der Europäischen Zentralbank in einer Phase, in der die Inflationsgefahren gebannt sind und insbesondere die deutsche Wirtschaft durch zu hohe Zinsen ausgebremst wird.

Das aktuelle Problemknäuel lasse sich nur durch entschlossenes Handeln der nächsten Bundesregierung auflösen, so das IMK. Nötig sei erstens eine Investitionsoffensive, um die Infrastruktur zu modernisieren. Zweitens müsse das Problem hoher und stark schwankender Energiepreise angegangen werden – kurzfristig durch einen Brückenstrompreis, längerfristig beispielsweise durch eine Finanzierung des Netzausbaus über öffentliche Kredite.

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Drittens raten die Forschenden zu einer neuen, in der EU koordinierten Industriepolitik, die zentrale Zukunfts- und Schlüsselbranchen bei der Transformation hin zu klimafreundlichen Prozessen und Produkten unterstützt. Die EU-Handelspolitik müsse „weiter Offenheit anstreben, aber wehrhaft“ reagieren, wenn China und die USA zunehmend Regeln der Welthandelsorganisation ignorieren. Die Forschung zeige, dass sich moderne Industriepolitik innovations- und wettbewerbsorientiert gestalten lasse und Mitnahmeeffekten vorgebeugt werden könne.

Neue Lösungen statt alter Rezepte

„In der Debatte über die aktuelle Wirtschaftslage heißt es oft, es dürfe in Deutschland kein ,Weiter so wie bisher‘ geben. Das stimmt, tatsächlich haben sich innerhalb weniger Jahre ganz neue Rahmenbedingungen ergeben, wir sind wirtschaftspolitisch in einer neuen Welt. Gerade deshalb brauchen wir auch neue Lösungen“, sagt IMK-Direktor Sebastian Dullien. „Eine Art Agenda 2010 in neuer Verpackung, wie sie von konservativer und wirtschaftsliberaler Seite vorgeschlagen wird, würde mehr schaden als nutzen. Das gleiche gilt für das Festhalten an der Schuldenbremse, die in ihrer aktuellen Form dringend notwendige Investitionen, Wachstum und Modernisierung verhindert, obwohl Deutschland mit Abstand die niedrigste Staatsverschuldung unter den Ländern der G7 hat.“

Die größte Herausforderung für das neue Jahr und für die nächste Bundesregierung besteht laut Dullien einerseits darin, zu verhindern, dass strategisch wichtige Industriebereiche wegbrechen. Andererseits seien Anreize für Investitionen nötig, die eine zukunftsfähige Produktion von innovativen Gütern und Dienstleistungen ermöglichen. „Das ist kein Freifahrtschein für Unternehmen und entlässt keinen Vorstand aus der Verantwortung, auf dem Markt erfolgreiche Strategien und Produkte zu entwickeln. Und natürlich gibt es weitere drängende Themen, die wir ebenfalls analysieren: einen konstruktiven Einsatz von KI zur Produktivitätsverbesserung beispielsweise, eine Strategie zur Arbeitskräfteeinwanderung, eine Stärkung der Tarifbindung und bessere Bildung.“ In erster Linie habe aber auch in Deutschland und Europa die Stunde der Wirtschafts- und Industriepolitik geschlagen. Das eröffne die Chance auf eine strategische Modernisierung, die Wohlstand sichert und gleichzeitig einen Weg aus der Klimakrise eröffnet.

Ihre Empfehlungen stützen die Fachleute des IMK einerseits auf eine Analyse der aktuellen geostrategischen Veränderungen, inklusive der sich abzeichnenden Wirtschaftspolitik des neuen US-Präsidenten. Andererseits zeichnen sie detailliert die Entwicklung des deutschen Wirtschaftsmodells seit der Jahrtausendwende nach. Die Analyse von Daten und Forschungsliteratur zeigt, dass „die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb mitnichten einen permanenten graduellen Rückgang des Wachstums erlebt hat, wie man es bei einem allmählichen Anstieg von Regulierungsdichte und Sozialausgaben als Ursache einer Wachstumsschwäche erwarten würde“. Im Gegenteil: Von der Jahrtausendwende bis 2019, unmittelbar vor der Corona-Pandemie, wuchs das preisbereinigte BIP pro Kopf in Deutschland um rund 25 Prozent. Das war so viel wie in den USA und deutlich mehr als in anderen westeuropäischen Ländern wie Großbritannien, Frankreich oder den Niederlanden. 

Nicht so schlecht wie oft dargestellt

Die Forschenden grenzen zwei Perioden voneinander ab: Zwischen 2000 und 2009 legte vor allem die Ausfuhr deutscher Waren stark zu. Die deutschen Exporteure profitierten vom dynamischen Welthandel und insbesondere vom wirtschaftlichen Aufholprozess in China. Die Inlandsnachfrage leistete hingegen kaum einen Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum – vor allem, weil die Einkommen der Privathaushalte in Zeiten von Lohnzurückhaltung und Hartz-Reformen unter Druck standen. Das BIP stieg zwar, mit der ziemlich einseitigen Wachstumsstrategie trug Deutschland jedoch auch zu den Leistungsbilanzungleichgewichten bei, die als ein Grund für die Eurokrise ab 2010 gelten.

Weitaus besser balanciert war die Entwicklung von 2010 bis 2019. In dieser Phase stiegen die Löhne wieder stärker, ohne die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu gefährden. Die Exporte wuchsen kräftig weiter, zugleich trug die Inlandsnachfrage stärker zum Wachstum bei. Privatkonsum, Investitionen und Staatsausgaben legten nun ebenfalls wieder zu. Mit anziehender Inlandsnachfrage stiegen auch die Importe wieder stärker, sodass sich der Leistungsbilanzsaldo relativ zum BIP nicht weiter erhöhte. Das kumulierte Wachstum in Deutschland überholte das in den USA. Erst unmittelbar vor der Coronakrise zog Amerika wieder gleich. „Insgesamt kann die Wachstumsphase in den 2010ern als wesentlich erfolgreicher betrachtet werden als jene in den 2000ern“, lautet das Fazit des IMK.

Zwar lasse sich das Wirtschaftswachstum der ersten beiden Jahrzehnte des Jahrtausends nicht eins zu eins replizieren. Der Blick auf die allerjüngste Vergangenheit zeige aber, „dass das Fundament der deutschen Wirtschaft deutlich solider, innovativer und erfolgversprechender ist, als es häufig wahrgenommen wird“. Ungeachtet berechtigter Klagen über Bürokratie und sich verschlechternde Infrastruktur wird das auch bei aktuellen internationalen Vergleichen deutlich, die das IMK zitiert: Einem neuen US-Ranking zufolge liegt Deutschland auf dem ersten Platz unter 89 Ländern für Unternehmertum und auf dem siebten Platz nach den skandinavischen Ländern, Kanada und der Schweiz für allgemeine Lebensqualität. Zudem hatte die Bundesrepublik nach einer aktuellen Untersuchung des Wiener Wipo-Instituts im Jahr 2024 nach China und den USA die höchste Anzahl an Wissenschafts- und Technologieclustern.

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