Quelle: HBS
Böckler ImpulsKonjunktur: Investitionen bringen stärksten Impuls
Ein Konjunkturprogramm würde helfen, den aktuellen wirtschaftlichen Abschwung Deutschlands zu dämpfen, zeigt eine Modellrechnung der Universität Leipzig. Am wirksamsten wären höhere öffentliche Investitionen. Und: Es muss schnell gehen.
Vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise mehren sich Ängste vor einer Rezession. Soll der Staat eingreifen, um einen konjunkturellen Einbruch abzumildern? Welche Aktion wäre am hilfreichsten? Mit der Wirksamkeit von Konjunkturprogrammen beschäftigt hat sich ein Team um Ullrich Heilemann, Direktor des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung an der Leipziger Universität. Wie die Fiskalpolitik Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung nehmen könnte, prüften der Wirtschaftsprofessor und seine Kollegen anhand einer modifizierten Version des Konjunkturmodells des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung. Ihr Ergebnis: Deutschland könnte mit mehr staatlichen Investitionen einen Abschwung am stärksten abfedern - je schneller, desto besser.
In ihrer Untersuchung haben die Ökonomen drei unterschiedliche fiskalpolitische Instrumente miteinander verglichen - Steuererleichterungen, eine Senkung der Sozialabgaben und die Erhöhung öffentlicher Investitionen. In jeder der drei Simulationen lautet die Grundannahme, dass der Staat über drei Jahre jährlich 15 Milliarden Euro zusätzlich ausgibt. Dabei zeigt sich:
Eine Senkung der direkten Steuern wirkt sich nur wenig auf die wirtschaftliche Entwicklung aus. Denn von einer solchen Entlastung profitieren nur diejenigen unmittelbar, die Lohn- oder Einkommensteuer zahlen. Bei diesen fließt zusätzliches Einkommen nicht ausnahmslos in den Konsum, sondern wird auch gespart. Am Ende der Dreijahresperiode gäbe es rund 136.000 zusätzliche Jobs. Noch niedriger fallen die erwarteten Wirkungen aus, wenn die Verteilung der Entlastung auf die verschiedenen Einkommenshöhen in die Berechnungen einfließt, so die Forscher. Denn gut Verdienende, die viel Steuern zahlen, würden dann besonders entlastet. Und bei diesen sei von einer unterdurchschnittlichen Konsumneigung auszugehen.
Eine Reduzierung der Sozialabgaben ergibt ein wachstumspolitisch etwas vorteilhafteres Bild. Zwar profitieren auch in diesem Fall die Bezieher von Arbeitseinkommen unmittelbar - und Rentner, wenn die Krankenversicherungsbeiträge gesenkt würden. Hier nähme allerdings in drei Jahren die Beschäftigung um etwa 230.000 Erwerbstätige zu. Denn wegen sinkender Lohnstückkosten würde sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Die Wirtschaft wüchse von Jahr zu Jahr kräftiger, bedingt durch einen starken Anstieg des privaten Konsums.
Die beste Konjunkturstütze ist jedoch eine Erhöhung der staatlichen Investitionen, etwa für die Infrastruktur oder den Wohnungsbau. Nach drei Jahren würden so fast 350.000 neue Jobs entstehen. Im Durchschnitt ließe sich das Bruttoinlandsprodukt jährlich um 15,7 Milliarden Euro steigern, berechneten die Ökonomen.
Ein weiterer Vorteil öffentlicher Investitionen: Wegen des zusätzlichen Wirtschaftswachstums würden sich die 15 Milliarden Euro Mehrausgaben zu durchschnittlich gut 50 Prozent selbst finanzieren. Noch besser sähe die Bilanz bei längerfristiger Betrachtung aus, wenn bereits geplante Investitionsprojekte lediglich vorgezogen würden, weil dann später geringere Ausgaben entstünden. Dagegen läge bei einer Senkung von Steuern oder Sozialabgaben die Selbstfinanzierung nur bei etwa 20 Prozent.
Für welche Strategie auch immer sich die Bundesregierung entscheidet: Eile ist geboten, geben Heilemann und seine Kollegen zu bedenken. Denn "das Abwarten, bis die Krise in den Büchern steht", erhöhe auch die volkswirtschaftlichen Kosten ihrer Bekämpfung. Seit den 70er-Jahren dauerten rezessive Phasen kaum länger als fünf Quartale. Damit die konjunkturpolitischen Maßnahmen wirken, "müssen diese recht bald, spätestens zum Jahreswechsel 2008/09 einsetzen". Und aus Effizienzgesichtspunkten müssten sie angesichts der intensiven außenwirtschaftlichen Verflechtungen mindestens auf europäischer Ebene koordiniert werden.
Ullrich Heilemann, Stefan Wappler, Georg Quaas, Hagen Findeis: Qual der Wahl? - Finanzpolitik zwischen Konsolidierung und Konjunkturstabilisierung, in: Wirtschaftsdienst, Heft 9, September 2008