Quelle: HBS
Böckler ImpulsArbeitsmarkt: Integration braucht langen Atem
Nicht nur Neuzuwanderer, sondern auch Migranten, die schon länger in Deutschland leben, brauchen mehr Unterstützung.
Zuwanderer sollen schneller einen Job finden. Darüber herrscht in der Politik weitgehend Einigkeit. In der aktuellen Diskussion geht es vor allem um Neuankömmlinge. Bereits länger in Deutschland lebende Migranten geraten häufig aus dem Blick. Dabei haben auch sie schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt und müssten gezielt gefördert werden, wie eine Analyse von Jutta Höhne und Karin Schulze Buschoff vom WSI zeigt.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben 16,5 Millionen Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund. Zwei Drittel von ihnen sind im Ausland geboren, die allermeisten leben schon seit mehr als zehn Jahren in der Bundesrepublik. Ein Drittel der Menschen mit Migrationshintergrund ist hier geboren, zählt also zur sogenannten zweiten Generation. Von einer gleichberechtigten Teilhabe am deutschen Arbeitsmarkt seien sie weit entfernt, konstatieren die Forscherinnen. Die Erwerbslosenquote von Migranten habe 2012 bei fast zehn Prozent gelegen – etwa doppelt so hoch wie im Rest der Bevölkerung. Und diejenigen, die eine Arbeit finden, müssten häufig mit weniger angesehenen Jobs vorliebnehmen. Selbst unter den Einwanderern mit Berufsabschluss sei der Anteil prekär Beschäftigter vergleichsweise hoch. „Migranten der ersten und zweiten Generation haben in Deutschland wie in vielen anderen Ländern schlechtere Arbeitsmarktchancen“, so Höhne und Schulze Buschoff.
Auffällig ist, dass es unter den Zugewanderten einerseits viele gut ausgebildete Menschen gibt: Zuwanderer aus West- und Nordeuropa sind mit einem Akademikeranteil von 36 Prozent besonders häufig hoch qualifiziert, aber auch Zuwanderer aus vielen Drittstaaten verfügen überdurchschnittlich oft über Hochschulbildung. Andererseits ist aber auch der Anteil von Personen ohne Abschluss deutlich höher als bei der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund, was unter anderem damit zusammenhängt, dass das System der dualen Berufsausbildung in den Herkunftsländern nicht sehr verbreitet ist.
Besonders schwierig ist die Lage für Männer ohne Berufsqualifikation, die in Deutschland geboren sind und zumindest ein Elternteil aus der Türkei oder dem ehemaligen Jugoslawien haben: Die Wahrscheinlichkeit von Erwerbslosigkeit liegt bei ihnen fast doppelt so hoch wie bei vergleichbaren Männern ohne Migrationshintergrund. Bei Frauen ohne Berufsabschluss stechen die Nachteile für die zweite Generation mit türkischem Hintergrund ebenfalls hervor – auch hier ist das
Risiko von Erwerbslosigkeit fast doppelt so hoch.
Maßnahmen gegen Diskriminierung
Wer eine Ausbildung abgeschlossen hat, findet zwar eher einen Job. Im Vergleich zur übrigen Bevölkerung bestehen aber erhebliche Nachteile: Männliche Zuwanderer aus Drittstaaten mit mittlerer Qualifikation sind mit fast dreimal so hoher Wahrscheinlichkeit von Erwerbslosigkeit betroffen. Auch die Arbeitsmarktchancen von hochqualifizierten Zuwanderern sind meist schlechter: Hochschulabsolventen aus Drittstaaten sind mit drei- bis fünfmal so hoher Wahrscheinlichkeit arbeitslos wie Akademiker ohne Migrationshintergrund.
Unabhängig vom Bildungsniveau gilt also: Fast alle Migrantengruppen stoßen auf Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche. Lediglich Einwanderer aus West- und Nordeuropa sind nicht mehr und nicht weniger von Erwerbslosigkeit betroffen als die übrige Bevölkerung, erreichen gleichwertige oder bessere Positionen und sind auch mit ähnlicher oder geringerer Wahrscheinlichkeit atypisch beschäftigt.
„Die OECD zählt Deutschland mittlerweile zu einem der attraktivsten Migrationsziele“, erklären Höhne und Schulze Buschoff. Dank einer Reihe von neuen oder überarbeiteten Gesetzen sei der Zuzug von Fachkräften erleichtert worden. Es sei jedoch notwendig, nicht nur Neuzuwanderung zu fördern und zu regeln, sondern die Aufmerksamkeit auch auf eine bessere Unterstützung der bereits seit Langem in Deutschland lebenden Migranten zu richten. Die Wissenschaftlerinnen fordern, dass mehr Geld in die Qualifizierung von Menschen aus Drittstaaten fließt. Außerdem müssten Maßnahmen gegen Diskriminierung schon am Ausbildungsmarkt ergriffen werden.
Jutta Höhne, Karin Schulze Buschoff: Die Arbeitsmarktintegration von Migranten und Migrantinnen in Deutschland. Ein Überblick nach Herkunftsländern und Generationen, in: WSI-Mitteilungen 5/2015
Hinweis:
Beschäftigte mit Migrationshintergrund integrieren – Beispiele guter Praxis: In fast jedem größeren Betrieb in Deutschland arbeiten Menschen mit Migrationshintergrund. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung stellt verschiedene Handlungsansätze und Praxisbeispiele zur Verbesserung der Integration vor. Sie zeigt, wie Betriebsvereinbarungen dabei helfen können, die Chancengleichheit im Betrieb zu verbessern