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HBS Böckler Impuls

Atypisch Beschäftigte: In der Krise schlecht geschützt

Ausgabe 03/2009

Leiharbeiter und befristet Beschäftigte tragen hohe Arbeitsmarkt-Risiken: Sie bekommen weniger Geld, werden schneller arbeitslos und sind bei der Weiterbildung benachteiligt. Ohne bessere Regulierung wird sich ihre Situation in der Krise noch drastisch verschärfen.

Mehr als ein Drittel aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland ist atypisch beschäftigt - auf befristeten Stellen, als Leiharbeitnehmer und vor allem in Teilzeit. Die Beschäftigung jenseits der klassischen festen Vollzeitstelle, dem "Normalarbeitsverhältnis", wächst seit Jahren. Und: Sie ist weiblich. 57 Prozent der Frauen, aber nur 17 Prozent der Männer gehören zu den "Atypischen", haben Hartmut Seifert und Wolfram Brehmer ermittelt.

Die WSI-Forscher werteten Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) von 1989 bis 2007 aus. Auf dieser Basis verglichen sie atypisch Beschäftigte und Arbeitnehmer in Normalarbeitsverhältnissen bei drei zentralen Merkmalen: dem Einkommen, der Stabilität der Beschäftigung und der Weiterbildungsbeteiligung. Zentrales Ergebnis: Längst nicht jeder atypische Job ist schlecht bezahlt oder unsicher, trotzdem sind prekäre Arbeitsbedingungen relativ weit verbreitet.

Geringerer Lohn. Eines haben alle atypischen Beschäftigungsformen gemein: Sie werden schlechter bezahlt als feste Vollzeittätigkeiten. Knapp 34 Prozent der atypisch Beschäftigten verdienen nur einen "Prekaritätslohn". Das sind nicht einmal zwei Drittel des Medianlohns - derzeit weniger als 9,45 Euro im Westen und 6,94 im Osten. Unter den im Normalarbeitsverhältnis Beschäftigten müssen sich 9,5 Prozent mit so geringen Löhnen begnügen.

Vergleicht man die verschiedenen atypischen Beschäftigungsformen miteinander, zeigen sich aber erhebliche Unterschiede: Am häufigsten arbeiten Minijobber für Niedriglöhne, gefolgt von Leiharbeitnehmern und befristet Vollzeitbeschäftigten. Beschäftigte mit einer unbefristeten Teilzeitstelle erhalten seltener einen Niedriglohn - allerdings sind es auch bei ihnen 23 Prozent.

Lücken in der Beschäftigung. Noch deutlicher fallen die Unterschiede bei der Beschäftigungsstabilität auf: Feste Teilzeitstellen sind sogar etwas sicherer als Vollzeit-Normalarbeitsplätze. Dagegen tragen befristet Beschäftigte und Leiharbeiter im Vergleich zu Letzteren ein mindestens dreimal höheres Risiko, sich innerhalb eines Jahres einen neuen Job suchen zu müssen.

Weniger Weiterbildung. Vor allem Arbeitnehmer mit kurzen Arbeitszeiten - Minijobber und Teilzeitbeschäftigte - ­haben deutlich reduzierte Aussichten, im Betrieb an Weiterbildungskursen teilnehmen zu können. Etwas besser sieht es bei den befristet Vollzeitbeschäftigten aus. Die Daten für Leiharbeiter sind nicht eindeutig. Immerhin gibt es Hinweise darauf, dass ihr Weiterbildungsrückstand in letzter Zeit kleiner geworden ist.

Doppeltes Risiko in der Krise. "Prekaritätsrisiken kumulieren vor allem bei Leiharbeitern und befristet Beschäftigten", resümiert Seifert. Zwar deuten die Daten für 2006 und 2007 darauf hin, dass sich im Aufschwung auch die Situation dieser Beschäftigtengruppen etwas verbessert hat. Doch in der Krise dürften die kleinen Forschritte schnell wieder zunichte gemacht werden und vor allem Zeitarbeiter in eine Abwärtsspirale geraten, fürchtet der Arbeitsmarktexperte: "Sie verlieren schnell ihren Job. Und sind sie arbeitslos, bekommen sie oft nur geringe finanzielle Unterstützung, weil sie vorher wenig verdient haben und häufig nur kurz beschäftigt waren." Viele Leiharbeitnehmer dürften nicht einmal Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben, denn die durchschnittliche Beschäftigungsdauer in der Zeitarbeit liegt deutlich unter einem Jahr.

Der Forscher hält bessere Regeln für unerlässlich, um Leiharbeitnehmer wenigstens etwas stärker abzusichern.

=> Phasen von Kurzarbeit sollten für Weiterbildung genutzt werden, um die Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern.

=> Um die Chancen auf Arbeitslosengeld zu erhöhen, empfiehlt Seifert Mindestbeschäftigungszeiten und die Wiedereinführung des Synchronisationsverbots. Das untersagte bis 2004, den Arbeitsvertrag auf die Dauer des ersten Einsatzes in einem Entleihbetrieb zu begrenzen.

=> Auch ein existenzsichernder Mindestlohn würde die bestehenden Lohndifferenzen verringern und die soziale Lage bei Arbeitsplatzverlust verbessern, so Seifert. Noch sinnvoller ist aus Sicht des Wissenschaftlers eine Gleichstellung mit den regulär Beschäftigten im Entleihbetrieb.  

  • Gut ein Drittel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland ist atypisch beschäftigt – befristet, als Leiharbeiter und vor allem in Teilzeitjobs. Längst nicht alle atypischen Stellen sind schlecht bezahlt oder unsicher. Doch insbesondere Leiharbeiter und befristet Beschäftigte tragen deutlich erhöhte Arbeitsmarktrisiken. Zur Grafik

Wolfram Brehmer, Hartmut Seifert: Sind atypische Beschäftigungsverhältnisse prekär? Eine empirische Analyse sozialer Risiken, erscheint in: Zeitschrift für Arbeitsmarktforschung 4/2008

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